Tag der geschlossenen Tür
wohin ich gehöre und wo ich lieber wäre. Es zieht mich zurück. Ich fahre weiter auf dem Drehsessel in hoher Geschwindigkeit, Farben verwirbeln im Vorbeisausen, ein paar Kinder springen aus einem gelben, heißen Maisfeld, um mir mit Haifischaugen hinterherzufliegen. Ich beginne, sie mit Maiskolben zu beschmeißen, ich kann sie im Vorbeirasen von den Stauden pflücken. Ein Kind treffe ich am Mund, ihm brechen alle Zähne heraus, und es fängt bitterlich an zu weinen. Ich fühle mich so schlecht in meinem Sessel, es tut mir wirklich leid, und ich nehme den Schmiss mit dem Kolben zurück. Der Kolben landet in meiner Hand und beginnt laut zu klirren. Ich lege ihn auf den Boden, er klirrt weiter, ich nehme ihn wieder auf und halte ihn an mein Ohr.
»Sonntag?«
»Sonntag?«
»Sonntag, was ist los, heeey, Sonntag, hörst du mich?«
Das ist die Stimme von Nowak. Was macht der in meinem Traum?
»Verschwinde aus meinem Traum, ich habe dich nicht eingeladen!«
»Sonntag, was ist los? Was faselst du da? Wach auf, es ist schon nach ein Uhr, hörst du?«
Nowaks Stimme ist wie ein hässliches Seil, das mich in die Wirklichkeit zieht.
»Nowak, deine Stimme ist wie ein hässliches Seil …«
»Sonntag, was ist los? Pennst du? Wach mal auf. Wir müssen uns treffen wegen unserem Restaurant.«
»Ach so, ja, okay, wann denn?«
»Komm doch in ’ner Stunde mal bei mir vorbei, okay?«
»Is okay, Nowak, ich komme.«
Ich überlege, ob ich direkt weiterpennen soll, begreife aber, dass ich den Sprung in die Realität bereits gemacht habe. Also stehe ich auf und ziehe mich an. Jetzt muss ich zu einem Gespräch über einen Job, der vollkommen unseriös ist, das geht doch niemals gut. Ganz besonders langsam mache ich mich auf den Weg, um Nowak zu besuchen, und versuche auf dem Weg Gründe zu finden, mich aufhalten zu lassen. Ich finde leider keine.
Wie immer bittet Nowak mich durch das Fenster herein.
»Moin, Sonntag. Ein Sonntag an einem Sonntag, wenn das man kein Glück bringt, hahaha.«
»Hahaha, Nowak, guter und neuer Witz.«
»Na, dafür kennst du mich doch, Humor ist mein zweiter Vorname, oder?«
»Das hatte ich ganz vergessen.«
»Schwarzer Krauser?«
»Danke.«
»Nicht? Versteh ich nicht.«
»Danke, Nowak, is noch zu früh.«
»Also, Junge, pass auf, heute geht’s los: Ich hab mittlerweile die besten Gerichte aus den verschiedenen Karten rausgeschrieben und auf unsere Bestellkarte gedruckt. Du fährst mit der Schwalbe rum und packst den Kram in die Briefkästen, ganz einfach. Capito? Und ab dann heißt es einfach abwarten.«
Ich habe verstanden. Ich verzichte auf die Schwalbe, packe die Karten in einen Rucksack und gehe von Tür zu Tür. Was für ein öder Job. Warum mache ich das eigentlich alleine? Was macht Nowak in der Zeit? Zeitungen sortieren.
Es nieselt. Die Zettel werden nass. Ich überlege, ob ich einfach alles in einen Papierkorb schmeißen soll, so wie früher, als ich als Jugendlicher Zettel verteilt habe. Alles direkt am Anfang der Tour wegschmeißen und drei Stunden später den Lohn abholen. Schönes Gefühl. Würde uns aber in diesem Fall nichts bringen.
Später finde ich mich wieder bei Nowak ein, und wir warten unseren Erfolg ab. Nowak serviert Bier zum Butterkuchen. Um kurz vor halb fünf klingelt Nowaks Telefon.
»Hallo … Ach du, Maika, jetzt nicht, geh allein in die Schwimmhalle, hab heute keinen Hunger, muss arbeiten … jaja, alles paletti, tschüss.«
Neuerliches Warten, Kuchen, Schwarzer Krauser, Bier, Schweigen. Irgendwann das Telefon.
»Guten Tag … ja, Restaurant Vier Tafeln , ah ja, selbstverständlich, ja, das geht schnell heute … sicherlich … zweimal C 14 und eine Flasche Sprite, natürlich … etwa eine Dreiviertelstunde, ja natürlich, Ihre Telefonnummer und Adresse? … Vielen Dank, auf Wiederhören – Ihr Restaurant vier Tafeln …«
Er hat sich eine Abschiedsnote ausgedacht. »Ihr Restaurant vier Tafeln!« Unglaublich. Nowak zeichnet alles auf, zwischendurch macht er immer wieder mit dem Daumen »Top«-Zeichen zu mir. Dann greift er erneut zum Telefon, wählt eine Nummer und bestellt die Bestellung beim Chinamann.
»Sonntag, ich hab mir überlegt, dass du das Essen dort gar nicht abholen musst, wir lassen es einfach hierherbringen, dadurch sparst du dir die meisten Wege. Ist das fair?«
Ich habe keine Ahnung, was der Begriff Fairness hier zu suchen hat, aber ich bin es zufrieden. Nach etwa einer halben Stunde trifft tatsächlich das Essen ein. Nowak
Weitere Kostenlose Bücher