Tag der geschlossenen Tür
rückt Möbel, ein Radio läuft, klassische Musik weht verzerrt aus zu kleinen Lautsprechern durch das Treppenhaus, die Wohnungstür scheint ausgehängt, jemand hat ein großes seidenes Tuch, eine Art Fahne, vor den Eingang gehängt, sodass man nicht hineinschauen kann. Auf dem blau-rot-weißen Stoff steht, soweit ich das trotz der Falten im Vorbeigehen erkennen kann, »0002 todesnah«. Merkwürdiger neuer Nachbar. Wenn der mal nicht Ärger ins Haus bringt. Ich beschließe, vorerst mit Antipathie an ihn heranzutreten.
Email für Emil
H eute Morgen liegt ein Brief im Postkasten. Ich sehe es schon am Adressaufdruck und am Absender – es muss eine Ablehnung sein. Eine Verlagsablehnung. Ich freue mich, endlich meiner Sammlung ein weiteres Exponat hinzufügen zu dürfen. Zu meinen liebsten Beschäftigungen gehört es, Buchanfänge zu schreiben. Buchanfänge von Büchern, die nie zu Ende geschrieben werden müssen. Weil sie nie veröffentlicht werden. Buchanfänge, denen man schon auf den ersten Seiten die naive Phantasie ihres Erschaffers anmerkt und bei denen man ab Seite fünf eigentlich weiß, wie das Buch weiter und zu Ende gehen wird. Eine unendliche Reihe von Büchern, die man nicht zu Ende lesen muss – was für eine Erleichterung für die Weltleserschaft. Was für eine unglaubliche Zeitersparnis, sie bereits nach Seite sechs befriedigt ins Regal stellen zu können, als gelesen und für gut befunden markiert und um einige Wochen Lebenszeit reicher. Werbeheadline:
Bücher von Michael Sonntag sind Bücher, die Dir Zeit schenken
Oder:
Bücher von Michael Sonntag – endlich Ferien von der Kultur
Ich mache mir die Mühe, all diese Buchanfänge zu verschicken, nur um zu schauen, ob der Grund für die Ablehnung meines Manuskripts mit dem Grund übereinstimmt, aus dem ich es geschrieben habe. Auch die Anschreiben an den Verlag gehören mit zum Gesamtkunstwerk. Mein letzter Brief sah folgendermaßen aus:
Sehr geehrte Damen und Herren.
ich möchte Ihnen ein Buch vorstellen, von dem ich glaube, dass es unsere Beachtung verdient hat: Email für Emil. Der Titel sagt eigentlich schon alles. Der Name eines Jungen in der Einsamkeit der Welt und eine Email, die ihn wie eine Flaschenpost erreicht. Magie strömt von dem Titel aus: Email für Emil. Was mag darin stehen? Kann Emil die Email öffnen? Kann die Email Emil retten? Oder gerät er dadurch in große Gefahr? Hat die Email einen Virus an Bord? Oder ist es eine Liebesbotschaft? Email für Emil ist ein spannender Kinder- UND Jugendroman, den jeder lesen kann, der sich noch ein wenig Hoffnung bewahrt hat.
Kostprobe gefällig?
Email für Emil
Storyline:
Der dreizehnjährige Emil wohnt mit seinem schwerkranken Vater Gasparus zusammen. Seine Mutter musste die Familie verlassen, weil sie ein Hotel in Frankreich geerbt hat. Emil denkt oft an sie, sie war eine liebevolle und zärtliche Mutter. Nachts irrt er durch die kleine, verdreckte alte Sozialwohnung und erinnert sich daran, wie sie früher zu dritt Weihnachten gefeiert haben. In der Schule gehört Emil, ohne sich groß anstrengen zu müssen, zu den Besten, aber da er kaum Freunde hat, füllt das die Leere in ihm auch nicht wieder aus. Nur mit der fünfzigjährigen schönen Nachbarin von gegenüber wechselt er ab und zu ein paar nette Worte. Als er den Schlüssel zum Waffenschrank des Vaters entdeckt, setzt sich in ihm eine verhängnisvolle Gedankenspirale in Gang …
Leseprobe:
Emil öffnete morgens um fünf Uhr die Augen. Er konnte mal wieder nicht schlafen. Immer wieder quälten ihn im Traum die gleichen Bilder. Er stand in einer Wüste und fühlte sich einsam, hinter ihm auf einer Bahre lag sein kranker Vater und stöhnte: » Junge, ich brauch Wasser, ich verhungere, bitte besorg mir was zu trinken! « Es gab kein Wasser weit und breit. Am Horizont sah er Mutter davonreiten, in einer großen Kutsche, voll beladen mit Weihnachtsgeschenken. Als er nicht mehr weiterwusste, nahm er den Vorderlader und näherte sich seinem Vater … Schweißbenetzt wachte Emil jeden Morgen aus diesem Traum auf. Dann blickte er durch das Fenster in die Einsamkeit der Großstadt. Suchte mit seinen sehnsuchtsvollen Blicken die leeren Straßen ab und fand keine Rettung. Doch auf einmal hörte er an diesem Morgen vom Computer hinter sich das Geräusch einer eingehenden Email. Er bekam ohnehin selten Emails, aber um diese Zeit hatte er noch nie eine bekommen. Langsam und erregt näherte er sich seinem
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