Tag der geschlossenen Tür
zahlt, und ich setze mich auf die Schwalbe, lege die Tüte mit den Mahlzeiten in den Gepäckkorb und fahre los, um das Gericht auszuliefern.
Da ich mich in diesem Viertel nicht besonders gut auskenne, suche ich ziemlich lange, schließlich finde ich die Adresse. Das Essenspaket fühlt sich von außen völlig erkaltet an. Die Sprite ist angenehm warm. Trotzdem schaffe ich es, den Handel ohne einen Disput zu absolvieren. Ich kassiere zwei Euro mehr, als wir eben noch dem Chinamann gezahlt haben. Wahnsinn – es funktioniert. Zwei Euro! Fast ohne etwas dafür gemacht zu haben. Außer dem Bestellen, dem Warten auf die Bestellung und der halben Stunde, die ich gebraucht habe, um die Adresse zu finden. Stolz fahre ich zu Nowak zurück. Zwei Euro! Nowak freut sich über meine Begeisterung und beschließt spontan, den Gewinn zu teilen, ohne auf seine Vorinvestitionen zu achten. Jeder kriegt einen Euro!
Den Rest des Tages ruft keiner mehr an. Wir trinken weiter Bier. Abends gehe ich mit meinem Euro nach Hause. Wenn das weiter so gut läuft, habe ich am Ende des Monats 31 Euro. Auf längere Sicht läppert sich da einiges zusammen …
Ein sprudelnder Quell der Nutzlosigkeit
D r. Baby Rabottnik Sazauer. Das sind die ersten Worte beim Aufwachen am Mittag. Dr. Baby Rabottnik Sazauer. Woher kommt dieser Name? Wer ist dieser Mensch? Warum wurde mir dieser Name eingegeben? Sollte ich nachforschen? Was würde es mir bringen, rauszufinden, dass es diese Person nicht gibt? Was für ein Hirnareal erzeugt diese sonderbaren Überflüssigkeiten in mir? Worauf verweisen sie? Ich muss mir diese Namen merken. Sie entspringen einer freien Quelle. Sie verweisen auf einen unnützen Choral in mir, den ich hegen sollte und der mich inspirieren und anleiten möchte. Dr. Baby Rabottnik Sazauer. Machen Sie sich keine Sorgen, Doktor Sazauer, bei mir sind Sie richtig, ich werde Sie nicht verleugnen. Ich glaube schon seit Langem, mein eigentliches Talent entdeckt zu haben. Ich bin Medium und Namenskreator. Ich bin der Erschaffer von Namen, die nie jemand tragen wird. Die keiner tragen möchte. Die allen fremd sind. Die mir selber peinlich sind. Und die trotzdem auftauchen, da sind und eine Rolle spielen. Dr. Baby Rabottnik Sazauer.
Oder vorgestern: Opa Palumba. Wer zum Teufel ist Opa Palumba? Wer möchte Opa Palumba sein? Identität zu vergeben: Opa Palumba, guter Tänzer alter Tänze, beleibt, Vollbart, Kapitänsmütze, schmierig-fettiges T-Shirt und Badehose, steht auf Cola Rum und Ernte 23, ist im Schrebergarten allgemein beliebt. Es schließt sich ein Lied aus dem Nichts an:
Alle wollen Opa Palumba
denn er tanzt die beste Rumba
Leute steht doch nicht nur so dumm da
Wir wollen tanzen mit Opa Palumba
Nu gib mir doch mal den Cola Rum da
Wir wollen tanzen mit Opa Palumba
Ein Lied geschaffen für das Nichts. Ein Lied, das zwar Melodie und Metrik hat, aber nie gesungen werden wird. Wie viele von solchen Liedern schwirren durch parallele Universen? Ich würde sie alle gerne hören, die umsonst Geborenen, sie scheinen mir die schönsten.
Vor fünf Tagen kam nachts Kopfschuss-Troche. Ohne weitere biografische Details. Und am späten Nachmittag gesellte sich Hubi Hermanns-Hall dazu. Die alberne Note war nicht beabsichtigt, sondern ergab sich ohne Plan. Albernheit spielt in diesem unbewussten, kreativen Prozess keine bestimmende Rolle. Nehmen wir das Beispiel Michaela Lackstrotz. Ein Name, dessen Melodie und Rhythmus stärker sind als dessen alberne Grundsequenz. Die Melodie erschafft die Glaubwürdigkeit. Michaela Lackstrotz ist ein seltener Name, aber ich glaube ihn.
Was ich allerdings mit dieser Fähigkeit anfangen soll, ist mir schleierhaft. Ein Geschenk ohne Nutzen. Das Problem ist, dass die Menschen schon von Haus aus ihre Namen haben. Jeder bekommt seinen mit der Geburt ins Fell gebrannt. Die meisten haben langweilige, manche sogar total unglaubwürdige Namen. Aber das sehen deren Träger natürlich nicht so. Sie akzeptieren ihren Namen als endgültige Typenbezeichnung, als ihren ultimativen Identifikationscode, sie kommen gar nicht auf die Idee, ihn infrage zu stellen. Leben nach dem Plan von Fremden.
Ich habe darüber nachgedacht, Namenskreator für die Industrie zu werden, für Automobilhersteller oder Küchengeräteproduzenten. Aber was sollen die mit meinen absurden Menschennamen anfangen? Ein Auto namens Gesedde Enne wird nie auf den Markt kommen. Der neue Mercedes Gesedde Enne Coupé. Zu große Fragezeichen
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