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Tag der geschlossenen Tür

Tag der geschlossenen Tür

Titel: Tag der geschlossenen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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Eben hab ich sie noch gesehen. Der Spieler hebt eine andere Schachtel, und darunter liegt die Kugel. Der vormalige Gewinner und sein Freund entfernen sich leidenschaftslos. Sie haben ihren Job als Koberer gemacht. Ich wanke etwas verschämt rückwärts, muss dann aber anfangen zu grinsen, und schließlich lache ich lauthals. Wie konnte ich auf so etwas Billiges hereinfallen? Respekt! Ich beschließe auf der Stelle, ebenfalls in das Hütchenspielermetier einzutreten. In einem Zigarettenladen kaufe ich mir ein paar Streichholzschachteln und eine Packung Kaugummis. Aus dem Silberpapier eines Kaugummis rolle ich eine Kugel. Etwa hundert Meter von dem Spieler entfernt, der mich eben abgezogen hat, lasse ich mich auf dem Boden nieder. Ich freue mich wahnsinnig auf meinen neuen Beruf. Die beiden Südländer, die eben noch gewonnen haben, sind gerade auf dem Weg zurück zu ihrem Kompagnon und kommen schlendernd bei mir vorbei. Der eine erkennt mich und bleibt verdutzt stehen. Ich beginne die Kugel unter den Schachteln wandern zu lassen, ungelenk natürlich, aber mit einem selbstbewussten Gesichtsausdruck. Die beiden mustern mich ein wenig ratlos, sie verstehen den Trick nicht, sie versuchen zu ergründen, wie meine Technik funktioniert. Wie kann ich, der ich eben noch bei ihnen verloren habe, jetzt eine eigene Kugel wandern lassen? Als einer von beiden davon überzeugt ist, dass ich blutiger Anfänger sein muss, setzt er auf eine der Schachteln. Ich hebe die, auf die er mit dem Finger zeigt, an und – die Kugel ist darunter. Ich muss ihm einen Zehner zahlen. Fassungslos nimmt er ihn entgegen. Wo ist verdammt noch mal der Trick? Wieder lasse ich die Kugel wandern, und wieder setzt er nach einiger Zeit. Ich zahle ihm etwas genervt einen weiteren Zehner. Ein paar Leute sind stehen geblieben. Hier scheint ein Hütchenspieler sein Geschäft nicht zu verstehen. Oder ist das Ganze ein riesiger Schwindel? Oder war die Hütchenspielerei immer schon ein ehrliches Handwerk, und all die Male, die man andere hat verlieren sehen, nur reiner Zufall? Ein älterer Mann versucht jetzt sein Glück und weist, noch bevor der Südländer zum dritten Mal zuschlagen kann, auf eine Schachtel. Auch er gewinnt, und ich zahle ihm anstandslos, aber griesgrämig den Zehner. Die Menschentraube um mich herum wird größer. Nachdem ich ein Mädchen, das mit seiner Mutter vor mir steht und gewettet hat, habe gewinnen lassen müssen, weil ich es wirklich nicht besser kann, hebe ich enttäuscht die Schachteln hoch und stelle fest: »Das verdammte Spiel muss kaputt sein, irgendetwas stimmt hier nicht.« Man schaut mich ratlos an. Ich untersuche die Schachteln genau, schüttele sie und rolle die Kugel vor mir her. Dann beginne ich ein weiteres Spiel. Diesmal gewinnt wieder der Südländer. Da ich letztlich nie gewinne, wird mir die Sache nach einer Weile fade. Ich beschließe, das Spiel zu beenden. Ein letztes Mal untersuche ich die Schachteln, dann springe ich auf, zertrampele sie wütend und gehe fluchend meiner Wege. Das verdammte Spiel ist kaputt! Scheiße! Das spiel ich nie wieder, so ein Scheißspiel! Ratlose Menschen schauen mir nach. Die Südländer lachen verächtlich.
    Ich habe ’ne ganze Menge Geld verloren, aber ich bin trotzdem irgendwie glücklich. Warum mich so eine Aktion glücklicher macht, als wenn ich selber Geld bei einem Hütchenspieler gewonnen hätte, weiß ich nicht. Vielleicht weil ich, obwohl ich die ganze Zeit verloren habe, trotzdem Herr der Situation war. Fakt ist: Ich bin nicht ausgenommen worden, ich habe mich ausnehmen lassen.

Ein leeres Blatt Papier
     
    I ch habe heute Morgen nach dem Aufwachen etwas Sonderbares erlebt. Nachdem ich mich gewaschen und eine Tasse Kaffee zu mir genommen habe, setze ich mich an meinen Schreibtisch vor dem Fenster zum Park. Ich lege meine Hände auf die Tasten der Schreibmaschine, so wie ich es fast jeden Tag tue. Ich warte, bis sich ein Energiebündel in mir formt, wie eine Fontäne heranwächst, bemerke, wie elektrische Impulse durch meine Synapsen und Nerven zu den Muskeln meiner Hände und Finger jagen und sie veranlassen, bestimmte Tastenkombinationen zu tippen. Es entstehen Worte auf dem Papier, Worte, die mir fremd sind und die ich erst lese, nachdem ich die Seite zu Ende geschrieben habe. Ich versuche festzustellen, ob ich diese Worte und Sätze kenne oder ob sie mir geschenkt wurden. Ecriture automatique: Humunlaqualil wird genüsslich das schwarze Pech zieren. Die Fleißbomben zerplatzen

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