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Tag der geschlossenen Tür

Tag der geschlossenen Tür

Titel: Tag der geschlossenen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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gesucht haben? Der Zustand der Vollversorgung – satt am Busen der Gesellschaft.

Ein lebenslanger Vertrag
     
    Deine grünen Augen. Leuchtend grün. Wassergrün. Lichtwassergrün. Feine gelbe Muskelfasern zeichnen sich durch die Iris und versinken mittig in der Schwärze der Pupille. Groß sind sie, diese Augen. Du benutzt nur wenig Schminke. Du brauchst keine Schminke. Glatt ist die Haut, schmal und lang Deine Nase. Die schwarzen Haare hast Du stramm nach hinten gekämmt, ein Zopf hält die Frisur auf Spannung. Du trägst einen dunklen Lippenstift, der Deinen Lippen eine scharfe Kontur verleiht. Dein Gesicht ist perfekt proportioniert. Ich wüsste nicht, wie es ausgewogener sein könnte. Fast schon ein wenig langweilig. Du bist groß. Du trägst einen eleganten schwarzen Hosenanzug, eng anliegend, Du siehst darin sehr sportlich und agil aus, lebendig, hart, trainiert. Marion. Du bist Marion Vossreuther aus dem O2-Handyladen in der Innenstadt. Du trägst ein Schild auf der Brust, auf dem Dein Name steht. Deine sportliche Haltung und die strenge Frisur verleihen Dir eine arrogante Ausstrahlung. Kühl, aufgeräumt und überlegen scheinst Du wirken zu wollen. Du gliederst Dich perfekt ein in die Reihe der glänzenden Objekte Deiner Auslagen. Alles ist hier so glatt und funktional und aseptisch, wie Du es selber auch bist. Meistens stehst Du am Ende des Schachtes, der Dein Geschäft ist, und berätst Kunden, versuchst ihnen Handyverträge zu verkaufen.
    Ich habe schon oft hier gestanden und in die Auslagen gestarrt, um immer wieder einen kurzen Blick auf Dich werfen zu können. Ich weiß nicht, ob Du mich schon bemerkt hast. Auch als ich Dir nahe war, als ich Dich um den Prospekt der aktuellen Handys bat und Du ihn mir freundlich in die Hand drücktest. Da entdeckte ich zwischen Deinen Augen auf dem pfenniggroßen Stück Deiner Nasenwurzel noch etwas anderes. Etwas Unmaskiertes, Tieferes, das mich anzog. Eine Sorgenfalte. Ich überlege mir ernsthaft, mir wegen Dir ein Handy zuzulegen. Nur um mit Dir Kontakt zu haben. Das Problem ist, dass dieser Kontakt auf den Moment des Kaufs beschränkt wäre und nicht über die Restlaufzeit des Vertrags, wie ich es mir eigentlich wünschte. Marion. Ich möchte ein Handy kaufen, das nur eine Nummer im Speicher hat – Deine. Weil ich Dich liebe. So wie Du bist. In Deiner ganzen Perfektion und Tristesse. Gib zu, dass sich sonst keiner an Dich heranwagt. Keiner aus Deinem Handyladen, keiner der Kollegen Eurer Company, die Du nach Feierabend triffst, keiner in Deinem Fitnesscenter, höchstens mal einer der Trottel aus dem After-Work-Club. Sie bleiben alle weit hinter Deinen Erwartungen zurück, und das macht Dich einsam. Aber hier hinter der Scheibe stehe ich. Ein großer, starker, dunkelhaariger, freier Mann. Ein Mann mit Geschmack und Anstand, mit Wissen und Kultur. Ein Mann mit Humor und Eigenart. Ein künstlerisch veranlagter Mann, der schon alles Mögliche ausprobiert hat. Ein Mann, der Dich verwöhnen würde und den Du versorgen könntest. Ein Mann, der sich ganz zum Spielball Deiner Liebe machen könnte, solange Du keine Kinder von ihm wolltest. Ein sensibler und zurückhaltender Mann, der Dir den Vortritt lässt beim Herstellen des Erstkontakts. Marion. Es muss von Dir kommen. Ein bisschen was musst Du auch leisten, wenn Du schon so einen Mann willst.
    Ich betrete das Geschäft und schreite langsam die Glasregale mit den Telefonen ab. Du hast mein Kommen noch nicht bemerkt und bist mit Deinem Computer beschäftigt. Als ich Dir schon relativ nahe bin, begegnen sich unsere Blicke. Ich lächle Dich kurz an, und Du erwiderst das Lächeln. Zwar ist es ein professionelles Lächeln, eines, das Du fünfhundertmal am Tage austauschen musst, und dennoch wirkt es nicht falsch, sondern – so unterstelle ich – kommt von ganzem Herzen. Jetzt wäre eigentlich der Moment, in dem Du mich ansprechen solltest. Ein Kunde betritt den Verkaufsraum, geht direkt auf Dich zu und beendet unsere zarten Anbandelungen. Zeit für mich zu gehen. Du hast Dich vorerst für einen anderen entschieden. Einen, der stupider und direkter zur Sache kommt. Einen, der sich gar nicht wirklich für Dich interessiert. Aber ich werde wiederkommen, weil ich weiß, dass Du mit ihm nicht glücklich wirst. Er will nur Deine Produkte. Er will nur Deine Telefone, Deine Ladestationen, Deine Bluetoothlösungen und Navigationszusatzgeräte. Marion. Ich, im Gegensatz zu ihm, ich will Dich.
     
    Kann ich diesen Brief so

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