Tag der Vergeltung
Vergewaltigung?
»Wissen Sie was, ich kann mit ihr reden. Ich lege ein gutes Wort für Sie ein, sage ihr, dass Sie Ihren Fehler einsehen und sie um Verzeihung bitten. Heutzutage wird das Opfer ja bei der Verhandlung gefragt, wie es ihm geht …«
»Danke …«, murmelte Nevo, halb lächelnd. Auch das noch. Nachum betrachtete sein Lächeln genau. Es hatte nichts Zynisches und keine Arglist.
»Was soll ich ihr ausrichten?«
»Sagen Sie ihr, dass es mir leidtut, wenn ich sie verletzt habe … Es war nicht meine Absicht …«, gab er zur Antwort.
»Sie können sich auf mich verlassen«, erwiderte er sanft.
Er zog Stift und Papier aus der Tasche und platzierte beides vor Nevo. Er hatte ihn so weit. Schachmatt.
Nevo sah ihn verstört an.
»Damit ich Ihnen helfen kann, müssen Sie alles aufschreiben, was passiert ist, verstehen Sie?« Er sah ihm in die Augen.
Nevo versenkte seinen Blick wieder in dem Plastikbecher. Er trank das Wasser aus, mit schweren Schlucken, als wäre er ausgetrocknet.
»Ich weiß, wie schwer das fällt …, dass Sie Angst haben …«, er beugte sich zu ihm, fing seinen Blick ein, um Intimität herzustellen. »Doch es ist der einzige Weg, die Sache zu beenden … Nur so kann ich Ihnen helfen, und ich will Ihnen helfen, Nevo«, fuhr er fort.
Er überlegte, ob er etwas zu den verstorbenen Eltern sagen, die Vaterfigur mimen sollte, doch vorläufig nicht. Er war nah dran. Das hatte er im Blut. Zu viel Druck könnte ins Gegenteil umschlagen.
Nevos Augen füllten sich mit Tränen.
Nachum atmete erleichtert auf. Er hatte sich umsonst verrückt gemacht. Nevo hatte keine Nummer abgezogen. Ihn überkam tatsächlich Reue. Seine Arbeit steckte voller Überraschungen, und Nevo war eine große Überraschung. Nicht nur die Reue, die er zeigte, sondern auch, wie schnell Nachum ihn dazu gebracht hatte.
»Verstehe …«, nickte Nevo, »verstehe …«
»Schreiben Sie es auf, schreiben Sie auf, wie Sie Adi Regev vergewaltigt haben …«, sagte Eli Nachum und schob ihm das Papier zu.
11
Für einen Moment meinte Ziv, er habe nicht richtig gehört, vielleicht war die Müdigkeit daran schuld, dass er fantasierte.
»Vergewaltigt?« Er wiederholte, was der Polizist gerade gesagt hatte. Wovon redete er da?
»Lassen wir das, Vergewaltigung ist ein juristischer Begriff. Schildern Sie die Dinge aus Ihrer Sicht. Sie müssen das Wort nicht verwenden, wenn Sie sich dabei nicht wohlfühlen«, sagte Nachum und machte einen auf nett.
Nein, er hatte nichts falsch verstanden. Nachum hatte die ganze Zeit über von einem Mädchen gesprochen, das vergewaltigt worden war. Er war einem Irrtum aufgesessen. Sie suchten einen Vergewaltiger. Einen Vergewaltiger!
Er atmete erleichtert auf. Diese Festnahme war ein einziger großer Irrtum. Sie stand in keinem Zusammenhang zu Meschulam und letzter Nacht. Sie hielten ihn für einen Vergewaltiger. Vor Freude wäre er beinahe aufgesprungen und hätte Nachum geküsst.
»Warum schreiben Sie nicht?«, fragte Nachum ihn.
»Nein, Sie verstehen nicht. Hier liegt ein Irrtum vor. Ich bin kein Vergewaltiger. Ich habe keine Frau vergewaltigt. Sie liegen falsch. Das war ein anderer, nicht ich. So etwas würde ich niemals tun.« Er redete jetzt schnell, die Worte strömten aus ihm heraus. Er war drauf und dran gewesen, ihm die Wahrheit zu erzählen, über Meschulam, über das, war er im Norden von Tel Aviv erledigt hatte. Was für ein Glück er hatte. Was für ein Glück.
Nachum schwieg.
»Es tut mir wirklich leid. Ich habe Sie falsch verstanden. Wie kommen Sie denn auf Vergewaltigung? Ich schwöre Ihnen bei meinem Leben, beim Leben meines Sohnes, bei allem, was mir am Herzen liegt … Ich bin kein Vergewaltiger«, fuhr er aufgeregt fort.
Nachums Gesichtszüge waren eingefroren. Ob er realisierte, dass er auf dem Holzweg war, fragte sich Ziv.
»Sie treiben Ihre Spielchen mit mir …«, sagte Nachum, »kein Problem, Sie haben also keine Vergewaltigung begangen. Na gut, ich glaube Ihnen, reiner Zufall, dass Sie hier sind.«
Ziv versuchte dahinterzukommen, ob der Bulle sich über ihn lustig machte.
»Wenn Sie Adi Regev nicht vergewaltigt haben, was haben Sie dann gestern Nacht im Norden von Tel Aviv gemacht? Worüber haben wir dann bisher geredet? Über ein Verbrechen, das Sie begangen haben? Über ein Opfer? Los, erklären Sie mir das, Herr Nevo, und fangen Sie mit der letzten Nacht an.«
Er schrie jetzt beinahe.
Ziv kam sich vor wie ein Ballon, aus dem die Luft gelassen wird. Er
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