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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
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alles offenlegen?
    »Hallo?« Die Stimme von Galith Lavi, der Staatsanwältin, drang aus dem Hörer.
    Nein. Es gab Dinge, die durfte man nicht verbergen. Adi Regev ließ ihm keine Wahl. Sie trieb ihn in die Enge. Das Opfer nahm seine Aussage zurück und brachte den Fall zum Einsturz. Der Kuchen fiel in sich zusammen.
    »Hallo?«
    »Frau Lavi, hier ist Eli Nachum. Ich muss Sie dringend sprechen«, brachte er schließlich heraus.

17
    Zunächst hatte er geglaubt, sich vor lauter Angst Dinge einzubilden. Doch je mehr Minuten vergingen, desto klarer wurde Ziv, dass er nicht paranoid war. Vor zwei Stunden war ein großer, tatöwierter Mann in die Zelle gebracht worden, der ihn seitdem nicht aus den Augen ließ.
    Ziv versuchte ihn zu übersehen, sich in Luft aufzulösen, doch hob er auch nur minimal die Augen, lastete dieser dunkle, bedrohliche Blick auf ihm.
    Ein Schwächling war er nicht, er konnte sich zur Wehr setzen. Die Jahre über hatte er immer auf seine körperliche Fitness geachtet, doch nun fehlte ihm die Kraft. Die schlaflosen Nächte und der ständige Druck zehrten an ihm.
    Er versuchte diesen Mann aus seinen Gedanken zu verbannen und sie auf das Gespräch zu lenken, das er am Vormittag mit seinem Anwalt geführt hatte. Rosen war, gelinde gesagt, nicht optimistisch gewesen. Er hatte ihm erklärt, dass ein Prozess wie ein Spiel verlief. Im Moment stand es 2   :   0 für die Polizei, denn die hatte sein Geständnis (er beschloss, Rosen nichts von dem Missverständnis zwischen ihm und Nachum zu erzählen) und natürlich die Wiedererkennung durch das Opfer. Der einzige Weg, um aus der Geschichte heil herauszukommen, würde darin bestehen, den Spielstand mit 3   :   2 für sich zu entscheiden. Hätte er für die Tatzeit beispielsweise ein Alibi, ließe sich der Spielstand drehen. Doch woher sollte er ein Alibi nehmen? Seit der Scheidung hatte er das Haus kaum verlassen, erst recht nicht spät am Abend, höchstens für seinen Kurier-Job bei Faro, ja und mit dem konnte er sicher nicht punkten.
    Nachzuweisen, dass das Opfer log, war ebenfalls ein Weg, um für sich zu punkten. Doch da war Rosen skeptisch. Er war bei der Gegenüberstellung dabei gewesen. Alles war ordnungsgemäß verlaufen.
    Im Endeffekt schlug Rosen vor, mit der Staatsanwaltschaft ein Strafmaß auszuhandeln. Die konnte sich vor Arbeit nicht retten. Der Verzicht auf einen Prozess ersparte den Staatsanwälten Kopfschmerzen, und sie zeigten sich unter Umständen großzügig. Immerhin waren ein paar Jahre weniger hinter Gittern nicht zu verachten.
    Bei ihrer Unterredung hatte Rosen ihn zur Weißglut gebracht. Er wies immer nur auf die Probleme hin, hatte auch nicht eine Lösung parat. Ihm war ja klar, warum er vor allem die Probleme sah, aber deshalb musste man doch nicht aufgeben, oder? Warum sollte er aufgeben? Assaf Rosen mochte ein guter Rechtsanwalt sein, doch er glaubte Ziv nicht. Da lag der Hund begraben. Wie ließ sich mit einem Rechtsanwalt, der einem nicht glaubte, ein Prozess gewinnen? Er hielt ihn für den Täter – welche Chance hatte er da?
    Der tätowierte Mann stand auf und kam auf ihn zu. Er war einen Kopf größer als er, vielleicht noch mehr. Ziv war angespannt wie eine Feder. Mit Entsetzen nahm er wahr, wie der Abstand zwischen ihnen immer kleiner wurde. Wo sollte er hin?
    »Hast du ’ne Zigarette?«, fragte der Tätowierte. Trotz des Gestanks nach Urin und Kot – er zog von den Toiletten rüber, bei denen Treffsicherheit gefragt war, und sorgte bei ihm für dauerhaften Brechreiz – roch er den penetranten Schweiß dieses Mannes, der sich jetzt neben ihn setzte.
    Er schüttelte den Kopf und wich noch mehr zurück, klebte beinahe an der Wand.
    Der Mann rührte sich nicht, blieb stoisch neben ihm sitzen und musterte einen Mitinsassen, der auf dem Bett gegenüber saß, ein Mann um die Fünfzig, der wie ein alter Junkie aussah. Kurz darauf stand der Junkie auf und räumte seinen Platz. Ziv konnte es nachvollziehen.
    Der Tätowierte wandte sich wieder ihm zu und streckte die Hand zum Händedruck hin. »Me’ir.«
    Ziv erwiderte die Geste. Wohl wissend, dass ihm etwas Ungutes bevorstand. Me’irs Händedruck war kräftig und quetschte ihm die Hand.
    »Du bist Nevo, stimmt’s?«
    Er schwankte, ob er ihn fragen sollte, woher er seinen Namen wusste, doch je weniger er reden würde, desto besser. Daher nickte er nur.
    »Warum bist du hier? Warum haben sie dich verknackt?«, wollte Me’ir wissen. Etwas an der Frage verriet Ziv, dass er

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