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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
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dir.«
    »Ein freundschaftlicher Rat«, sagte Wahrman in sanftem Ton. »Ihr Vorgehen richtet sich sowohl gegen dich als auch gegen uns. Sicher hat ihr jemand dazu geraten, aus einem Nachteil einen Vorteil zu ziehen. Vorläufig liegt eine Anzeige gegen dich vor und eine finanzielle Forderung an die Firma. Ich gehe davon aus, dass wir in einigen Tagen mit ihr übereinkommen und sie beides zurücknimmt. Mit ihr zu reden wird kaum hilfreich sein. Es wird die Situation nur verschärfen.«
    Was der Rechtsanwalt sagte, beruhigte ihn. Es gab eine Lösung, einen Ausweg. Es war keine große Tragödie. Die optimistische Brise verflog jedoch direkt, als er Dovi sagen hörte: »Aufgrund dieser Situation können wir dich nicht länger beschäftigen. Ich hoffe sehr, dass du dafür Verständnis hast.«
    Er war am selben Tag entlassen worden. Und er hatte keine Ahnung, wie er es Merav beibringen sollte. Was konnte er schon sagen? Dass er sie mit einer anderen betrogen hatte, dabei erwischt und gefeuert worden war? Dass es bei der Affäre mit Adva nur um Sex gegangen war? Er liebte Merav und wollte unter keinen Umständen auf sie verzichten. Er hoffte inständig, dass die Dinge sich einrenkten, wie es der Rechtsanwalt angedeutet hatte. Daraufhin würde Dovi sich beruhigen und ihn wieder einstellen.
    Zu guter Letzt zog Adva die Anzeige zurück, aber Dovi wollte ihn nicht einmal sehen. Jeden Morgen stand er früh auf, duschte, rasierte sich, gab Gili und Merav einen Kuss und verließ das Haus, als ginge er zur Arbeit, als wäre alles wie immer. Er streifte ziellos durch die Straßen, resigniert, saß in den Parks herum und las Sportzeitungen. Obwohl er gern eine neue Arbeit wollte, suchte er sich keine. Der Markt für Bewässerungssysteme war klein. Insgesamt waren es nur sechs Unternehmen, die um wenige Abnehmer konkurrierten. Es war ihm peinlich, sich an die anderen Firmen zu wenden. Garantiert wussten alle von dem Vorfall und von seiner Entlassung. Wer würde ihn einstellen? Keiner wollte einen Angestellten, der seinen Schwanz nicht unter Kontrolle hatte und ihn als Arbeitgeber finanziellen Forderungen und Peinlichkeiten aussetzte.
    Als das erste Gehalt ausblieb, versicherte er Merav, dass es sich nur um eine kleine Verzögerung handele, in Kürze würden die Gelder wieder fließen. Verwundert sah sie ihn an. Erst neulich hatte er erzählt, wie erfolgreich die Firma sei, wie beliebt er dort war, doch sie ließ es dabei bewenden.
    So verging ein Monat und noch einer. Tag für Tag verließ er das Haus, ohne über die Vorfälle ein Wort zu verlieren. Merav begann ihn mit Fragen zu löchern – was war in der Firma los? Es ging doch nicht mit rechten Dingen zu, dass keine Gehälter gezahlt wurden. Betraf es alle oder nur ihn? Ihre wenigen Ersparnisse gingen zur Neige. Und wovon sollten sie den Wohnungskredit bezahlen? Und er, der einsah, dass seine Lügen kurze Beine hatten, dass er mit dem Rücken zur Wand stand, erzählte ihr schließlich von der Kündigung.
    Er hatte vorgehabt, ihr die ganze Wahrheit zu sagen, brachte es aber nicht über die Lippen. Als sie ihn nach den Gründen für die Kündigung fragte, schob er es auf die wirtschaftliche Situation der Firma, auf eine Krise in diesem Wirtschaftssektor, auf Liquiditätsprobleme. »Sind noch andere Leute entlassen worden?«, wollte sie wissen. »Wozu ist das wichtig?«, erwiderte er, in der Hoffnung, sie würde nicht länger nachhaken.
    Nachdem er Merav davon erzählt hatte, fühlte er sich erleichtert, er machte sich auf die Suche nach einer neuen Arbeit. Doch er kassierte eine Absage nach der anderen. Ein Unternehmen aus der Branche hatte zwar Interesse gezeigt, doch ihm wurde recht schnell klar, worauf sie eigentlich aus waren – auf die Geschäftsgeheimnisse seines früheren Arbeitgebers. Dazu war er nicht bereit. Obwohl er der Ansicht war, dass Dovi ihn ungerechtfertigterweise entlassen und ihm keine Gelegenheit gegeben hatte, es wiedergutzumachen, glaubte er, ihm etwas für seine Zeit in der Firma schuldig zu sein. Letztlich war nichts gegen ihn zu sagen, Dovi hatte sein Potenzial wahrgenommen, ihn befördert. Und er hatte ihn enttäuscht, weshalb ihn ein schlechtes Gewissen plagte.
    Er versuchte Arbeit in anderen Bereichen zu finden, doch ohne Referenzen von der vorherigen Stelle und ohne besondere Spezialisierung in einer Volkswirtschaft, die in der Rezession steckte, blieben seine Bemühungen erfolglos.
    Merav verlor allmählich die Geduld. Sie konnte nicht nachvollziehen,

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