Tag der Vergeltung
Er war lange Zeit einsam gewesen, und der Tod seiner Eltern hatte ihn gelehrt, wie wichtig Familie war.
Doch seit Gili etwa zwei Jahre alt war, hatte sich etwas verändert. Vielleicht war es die endlose Routine. Füttern, baden, ins Bett bringen – die täglichen Dinge fingen an, ihm gehörig auf die Nerven zu gehen. Vermutlich wegen Gili. Aus dem strahlenden Wonneproppen war ein Kleinkind geworden, das plötzlich mit ihm und Merav wegen jeder Sache herumstritt, diskutierte, auf jede Bitte ein Nein erwiderte, weinerlich wurde und zum Hätschelkind mutierte. Vielleicht war es wegen Merav, die immerzu müde und erschöpft war, mit Gili kaum noch zurechtkam, sich in einem fort beklagte und zunehmend seine häusliche Präsenz forderte. Alle sagten ihm, dass es nur eine Phase sei und vorübergehe, so sei es bei allen. Doch er spürte, dass ihm bei Gilis Geschrei, Meravs Nörgelei und ihrem Unvermögen, die Sache in den Griff zu bekommen, die Geduld ausging. Natürlich sagte er nichts und unternahm auch nichts, aber er sehnte sich nach ein wenig Urlaub, Zeit für sich. Nicht täglich der Vater von, der Ehemann von, der Vertriebsleiter von zu sein. Ein bisschen Ziv zu sein.
An jenem Dienstag war er bis spät abends auf der Arbeit geblieben. Adva kam in sein Büro, genau in dem Moment, als er wütend ein Telefonat mit Merav beendete. Sie arbeitete halbtags als Verkäuferin, war fleißig, engagiert und clever. Er war ihr Vorgesetzter. Ein besonderes Verhältnis verband sie nicht.
»Ist was passiert?«, fragte sie und lächelte ihn an.
»Alles in Ordnung«, antwortete er. Er hatte keine Lust darauf, seine Eheprobleme vor ihr auszubreiten.
Sie sei nur gekommen, um ihn wegen eines Kostenvoranschlags für einen Kunden etwas zu fragen. Obwohl sie die Sache binnen fünf Minuten hätten regeln können, gerieten sie ins Plaudern. Vielleicht hatte er es zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr eilig gehabt, nach Hause zu gehen, und hatte Merav ein wenig bestrafen wollen.
Sie war ganz Ohr, hochinteressiert, stellte ihm eine Frage nach der anderen, und Ziv ertappte sich dabei, wie er ihr vom Tod seiner Eltern, von seinem Militärdienst erzählte und dass er unmittelbar nach der Entlassung in der Firma angefangen hatte. Wie angenehm es war, mit ihr zu reden. Sie war witzig und entspannt, und sie hatte interessante Geschichten zu erzählen ohne Windeln, ohne Babybrei und ohne ganzheitliche Fördermöglichkeiten für Kinder im Säuglingsalter. Ihm wollte gar nicht in den Kopf, dass sie beide etwa im gleichen Alter waren. Und ihm wurde bewusst, wo sich sein Leben abspielte und wo ihres. Seit Gilis Geburt waren Merav und er nur wenig ausgegangen. Die tägliche Routine hatte sie fest im Griff und schlauchte. Die meiste Zeit über befand er sich im Dämmerzustand. Sein Studium an der Hochschule hatte er abgebrochen, denn den Spagat zwischen Arbeit, Vatersein und Studium hatte er nicht länger meistern können.
Obwohl ihm das Eingeständnis schwerfiel – zumal er scheinbar alles hatte, was man verlangen konnte –, beneidete er Adva ein wenig um ihr turbulentes Leben, in dem Clubs vorkamen, deren Namen er nicht einmal gehört hatte; Bands und Sänger, die er nicht einordnen konnte; Restaurants, in denen er noch nie gegessen hatte; jede Menge Dates und sexuelle Schwingungen.
Als sie ihm von dem Typen erzählte, mit dem sie etwas angefangen hatte, versetzte ihm unerklärliche Eifersucht einen Stich, und als sie meinte, sie sei unsicher, ob sie die Sache mit ihm fortsetzen solle, konnte er sich nicht beherrschen und riet ihr, das Verhältnis zu beenden, sie hätte was Besseres verdient. Sie lachte und sagte, wenn ihr doch nur einer wie er über den Weg liefe. Er errötete leicht, und sie, der seine Verlegenheit gefiel, meinte: »Deine Frau muss ja auf Wolke sieben schweben. Du bist attraktiv. Und ich finde, auch echt männlich. Heute muss man Typen wie dich da draußen suchen, das kannst du mir glauben.«
In der Teeküche fiel ihm auf, dass es schon ziemlich spät war, es war fast keiner mehr in der Firma. Nur Aviva, die Buchhalterin, brütete in ihrem Büro über der Halbjahresabrechnung. Als sie ihm Milch in den Kaffee goss, ertappte er sich dabei, wie er in den Ausschnitt ihrer Bluse schielte. Der Anblick dieser vollen, runden Brüste, die in einem Push-up steckten, machte ihn an. Plötzlich registrierte er, dass er einen Ständer hatte.
Dass sein Körper auf ihren Anblick anschlug, war ihm peinlich. Sex mit Merav – seit Gilis
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