Tag der Vergeltung
warum er eine Absage nach der anderen erhielt, ihm war ja nicht aus eigenem Verschulden gekündigt worden, den Dollarkurs bestimmte nicht er. »Warum hilft Dovi dir nicht? Warum bittest du ihn nicht, dich zu empfehlen?« Er zuckte mit den Schultern, wechselte das Thema, wich ihr aus. Er wollte es ihr sagen, hatte sich die Worte schon mehrmals zurechtgelegt, doch er konnte die Wahrheit nicht aussprechen. Würde Merav den eigentlichen Grund für seine Entlassung erfahren, das wusste er, dann würden sie und ihre Ehe daran kaputtgehen. Stattdessen begann er ihr das Gemecker übel zu nehmen.
Sie schränkten ihre Ausgaben immer mehr ein. Nahmen Gili aus dem privaten Kindergarten, Merav leistete Überstunden und brachte sich manchmal Arbeit mit nach Hause. Ohne eine zusätzliche Einnahmequelle waren die Kreditraten jedoch nicht mehr einzuhalten, und von der Bank trafen die Briefe mit den Mahnungen ein. Merav wollte ihre Eltern bitten, ihnen Geld zu leihen. Doch er lief dagegen Sturm. Warum die Eltern in ihre Schwierigkeiten einweihen? Auch die Idee, wegen einer Stelle an ihren Onkel heranzutreten, der seit Jahren in Strasbourg lebte und dort einen Betrieb leitete, der Topfpflanzen verkaufte, wies er von sich. Er wollte keine Gefälligkeiten von ihrer Familie, besten Dank auch. Und wieso ins Ausland? Er konnte nicht ein Wort Französisch. Und wozu der ganze Aufwand, um Topfpflanzen zu vertreiben?!
Eines Tages eskalierte ihr Wortwechsel. Es begann mit einer ihrer Vernehmungen: Was hatte er heute unternommen, um Arbeit zu finden? Was hatte er im letzten Bewerbungsgespräch gesagt? Welche Fragen hatten sie ihm gestellt? Darauf folgte die Geschichte ihrer Schwester, die natürlich mit dem erfolgreichsten Mann der Welt, mit Motti, dem Gutachter, verheiratet war. Es gipfelte in einem weiteren Versuch, ihn dazu zu bewegen, beim Abendessen am Freitag mit ihren Eltern zu reden. »Sie warten nur darauf, dass wir sie um Hilfe bitten«, beharrte sie. Dass sie ihm andauernd Dampf machte, trieb ihn in den Wahnsinn. Er bat sie darum, Ruhe zu geben, ihr Streit würde Stress bei Gili auslösen, doch sie legte erneut los, begann laut zu zetern und ihm vorzuwerfen, er würde nicht ernsthaft Arbeit suchen, sondern daran Gefallen finden, zu Hause abzuhängen und nichts, aber auch gar nichts zu tun, sie erkenne ihn kaum wieder. Er bekam es ja nicht mal mehr hin, mit ihr zu schlafen, schleuderte sie ihm entgegen, kein Wunder, dass sie nicht schwanger wurde. Gili warf seinen Spielzeug-Lastwagen aus der Hand und brach in heftiges Weinen aus, Merav eilte zu ihm. »Siehst du? Siehst du, was du deinem Sohn antust?«
Ihre Vorwürfe trafen ihn wie ein Messerstich. Auf einmal hasste er sie. Und da sprudelten, ohne dass er es wollte, die Worte aus ihm heraus, Worte, die er seit Monaten für sich behalten hatte. Er wollte es ihr heimzahlen: »Kein richtiger Mann, wie? Während du abends, frigide, wie du bist, im Bett liegst, vögele ich pausenlos herum«, gab er zurück. Ohne sich im Griff zu haben, erzählte er von Adva, vom wahren Grund seiner Kündigung, von allem, was er ihr verheimlicht hatte. Monatelang hatte er sich die Worte zurechtgelegt und war immer wieder davor zurückgewichen, und nun gab ein einziger Moment des Zorns alles preis, um den Spieß umzudrehen, sich für die Demütigung zu revanchieren.
Er bereute sogleich, was er gesagt hatte, aber die Worte waren draußen, zogen im Wohnzimmer ihre Kreise. Völlig aufgelöst sah sie ihn an. Er hoffte, sie würde ihn anschreien, würde weinen, aber sie blieb stumm. In eisiger Stille setzte sie Gili ab und ging auf ihn zu. »Dir, dir steht es nicht zu, Vater zu sein«, sagte sie zu ihm. Ohne nachzudenken, stieß er sie mit Wucht von sich, sie fiel auf den Boden. Für einen Moment verschlug es ihnen beiden die Sprache. Nie hatte er die Hand gegen sie erhoben, dieses Bedürfnis hatte er nie empfunden. Sein Blick wanderte von ihr zu Gili, und er nahm die Angst in den Augen seines Sohnes wahr.
Merav begann zu weinen, stand auf, ging zu Gili hinüber und schloss ihn fest in die Arme. Er stand nur da, wie versteinert, wusste nicht, was er tun sollte. Er wollte auf die beiden zugehen, seine Familie umarmen, sie zurückgewinnen, ihnen sagen, wie leid es ihm tue, es käme nie wieder vor, er schäme sich für das, was er getan habe, doch er konnte sich nicht bewegen. Der Anblick der beiden, wie sie sich aneinander klammerten, wie sie schluchzten, versetzte seinem Herzen einen Stich. Als er es nicht
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