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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
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vielen Dienstjahren, in denen er Loyalität und Engagement bewiesen hatte, konnte er mehr verlangen. So leicht würde er nicht das Handtuch werfen und zulassen, dass sie ihn den Hunden zum Fraß vorwarfen.
    Doch bevor er sein Plädoyer hatte halten können, ging die Tür auf und Mosches Sekretärin kam zu diesem verdächtig günstigen Zeitpunkt herein und teilte ihm mit, dass er dringend zum Leiter der Bezirkskriminaldirektion kommen solle. Mosche hatte sie offenbar schon sehnsüchtig erwartet und sprang schnell auf. Peinlich.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte er und klopfte ihm auf die Schulter: »Wenn die Medien keinen Staub aufwirbeln – von diesem Giladi mit seinen Reportagen mal abgesehen –, werde ich alle Hebel in Bewegung setzen, damit dir nicht der Prozess gemacht wird.«
    »Und wenn es doch dazu kommt?«, hakte er nach.
    »Es gibt kreative Möglichkeiten, damit klarzukommen, das weißt du«, sagte er, flüsterte es ihm beinahe zu. Weitere Erklärungen erübrigten sich, was er meinte, war klar: Er könne jederzeit in die Frührente flüchten.
    »Mosche, was hier vor sich geht, ist alles andere als in Ordnung. Sämtliche Schritte, die ich unternommen habe, waren zugunsten der Ermittlungen, wie immer. Ich habe vor einer äußerst unerfreulichen Situation gestanden, die irgendwie gelöst werden musste«, sagte er aufgebracht.
    Mosche erwiderte nichts, und dieses Schweigen brachte ihn erst recht auf. Handelte es sich um einen Polizisten, an dessen Ansehen der Polizei gelegen war, wusste sie es zu vertuschen, zu entschuldigen, denjenigen bei den internen Ermittlungen zu decken. Einst hatte auch er sich einer solchen Immunität erfreut. Damit schien es nun vorbei.
    »Das wird sich schon regeln, mach dir keinen Kopf. Ich halte meine Hand über dich«, murmelte Mosche und schob ihn im selben Zuge fast aus dem Büro.
    Er ging den Gang hinunter, wollte das Weite suchen. Seine Beine waren wie Blei. Trotz der letzten Worte, die Mosche zu ihm gesagt hatte, konnte er kaum aushalten, was in ihm vorging. Er war ein Meister darin, zwischen den Zeilen zu lesen.
    Was sollte er seiner Frau sagen? Seinen Kindern? Seine Arbeit hatte ihn in Beschlag genommen, auch zu Hause hatte er viel über seine Fälle gegrübelt. Die Familie hatte jedoch stets gewusst: Auf ihn war Verlass, er war stark, kümmerte sich um ihren Lebensunterhalt, ihr Wohlergehen. Und nun? Würde er in die Arbeitslosigkeit abdriften? Zu Hause niedergeschlagen und deprimiert umhertrotten? Was konnte er unternehmen?
    Er brauchte eine Strategie. Die Polizei war für ihn mehr als nur ein Arbeitsplatz. Mit Leib und Seele war er dabei, hatte ihr seine besten Jahre gewidmet. Er liebte seine Arbeit über alles. Sollte es damit vorbei sein?
    Nein. So leicht würde er sich nicht geschlagen geben. Wenn es sein müsste, würde er an jede Tür klopfen, und wenn sie ihn zur Tür hinauswerfen würden, käme er eben durchs Fenster wieder rein. Es gab genug Leute in der Behörde, die nachvollziehen könnten, wie er gehandelt hatte. Leute, mit denen ihn alte Freundschaften verbanden. Diese Gedanken machten ihm Mut, und als er die Treppe hinunterging, fühlte er sich schon ein wenig besser. Das letzte Wort war noch nicht gesprochen. Zumindest nicht von seiner Seite.
    Er beschloss, kurz in seinem Büro vorbeizuschauen, um sicherzugehen, dass er nichts vergessen hatte. Als er Ohads Büro streifte, hielt er kurz inne. Sein Stellvertreter saß im Schreibtischsessel, grinsend, und diejenigen, die bis vor Kurzem noch ihm unterstellt gewesen waren, umringten Ohad mit feierlichen Mienen. Hier herrschte regelrechte Partystimmung. Die Nachricht von seinem Zwangsurlaub musste sich wie ein Lauffeuer verbreitet haben. Noch bevor er es erfahren hatte.
    Er hatte das Gefühl, als würde ihm jemand die Faust in den Unterleib rammen. In einem Monat würden sie ihm mitteilen, dass es ihnen leidtue, aber sie hätten entschieden, ein Disziplinarverfahren gegen ihn einzuleiten und eventuell sogar Schritte, die darüber hinausgingen. Und während sie ihm die Pistole an die Stirn hielten, kämen sie mit dem Vorschlag um die Ecke, in Frührente zu gehen.
    Er ging einige Schritte rückwärts. Keinesfalls sollten sie ihn in diesem Zustand sehen: wutschnaubend, gekränkt, gedemütigt. Es war besser, so schnell wie möglich zu verduften.
    Auf den ersten Treppenstufen Richtung Ausgang hörte er, wie Ohad ihm nachrief. »Eli, warte mal, ich will mit dir reden!«
    Rasch lief er die Treppe hinunter, als hätte

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