Tag der Vergeltung
bekommen und war entlassen worden. Warum hatte er nicht zwei und zwei zusammengezählt?
»Ich habe meinem Anwalt gesagt, dass ich die Vergewaltigung gestehe«, er sah Meschulam im Rückspiegel in die Augen, »aber ich war es nicht. Und bei der Staatsanwaltschaft haben sie wahrscheinlich kapiert, dass sie nichts in der Hand haben, und da haben sie die Strafe gemildert … Ich hatte damit nichts zu tun … das hat alles mein Anwalt geregelt …« Er brach ab, als er Meschulams kaltem Blick begegnete. Auch Me’ir schwieg. Panische Angst kroch in ihm hoch, es lag an dieser Stille. Nur nicht die Angst regieren lassen, befahl er sich. Das Einzige, wovor man Angst haben muss, ist die Angst selbst, hatte seine Mutter stets gesagt.
»Keiner weiß, was ich in der Nacht in der Louis-Marshall gemacht habe … keiner … kein Grund zur Sorge …«, fügte er schnell hinzu, doch keiner von beiden brach das Schweigen.
Er schaute auf die Straßen, die an ihm vorüberzogen. »Was will Faro von mir?«, fragte er, wohl wissend, dass sie ihm die Antwort schuldig bleiben würden.
Plötzlich fiel ihm auf, dass sie in die entgegengesetzte Richtung von Faros Büro fuhren.
»Wohin fahren wir?«, fragte er.
»Gut jetzt, genug gefragt«, hörte er Meschulam von hinten.
Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Sie kauften es ihm nicht ab. Sie würden ihn erst in die Mangel nehmen und dann umlegen, oder gleich auf der Stelle. Wie konnte er beweisen, dass er sie nicht verraten hatte? Er hatte doch selbst nicht durchschaut, was bei dem Treffen zwischen seinem Anwalt und der Staatsanwältin abgelaufen war.
Er war zu geschwächt. Einem weiteren Verhör würde er nicht standhalten. Einer solchen Situation war er ohnehin nicht gewachsen. Als Eli Nachum ihn vernommen hatte, war er in die Knie gegangen, ohne dass der die Hand gegen ihn erhoben hatte. Die beiden hier würden alles andere tun, als mit ihm reden. Sie würden ihn grün und blau schlagen, bis er ausspucken würde, was sie hören wollten, ohne Gericht und ohne Verteidiger, sie würden ihn einfach kaltmachen.
»Hier, seht doch«, er kramte das Urteil, das ihm Assaf Rosen am Ende der Verhandlung zugesteckt hatte, aus der Tasche. »Ich habe gestanden, dass ich die Frau angegriffen habe. Dass die Richterin sich auf Bewährung eingelassen hat, liegt daran, dass die Staatsanwaltschaft kapituliert hat … Warum, weiß ich nicht … Ich habe ihnen jedenfalls nichts gesagt … Auch mein Anwalt hat keine Ahnung!«
Meschulam sah verächtlich auf die zerknitterten Papiere, mit denen er ihm vor der Nase herumwedelte, und schnaufte.
»Sieh, sieh doch, was hier geschrieben steht!« Er versuchte Meschulam die Papiere in die Hand zu drücken, doch der wandte sich von ihm ab und sah aus dem Fenster.
Sie misstrauten ihm, ging es ihm durch den Kopf, sonst würden sie jetzt einlenken. Ihre Mienen blieben stumpf. Das stand ihm also nun bevor: Er würde weiter auf sie einreden, sie anflehen, und sie würden ihn mit eiskalten Augen anschauen und es ihm nicht abnehmen – wie konnte einer, der eine Vergewaltigung gestanden hatte, mit zwei Jahren Bewährung nach Hause gehen?
Er musste schnellstens machen, dass er hier rauskam. Sonst wäre das seine Fahrt in den Tod. Womöglich würden sie sich sogar damit nicht begnügen und ihre Drohung wahrmachen, was Gili betraf. Womöglich wollten sie ein Exempel an ihm statuieren: So erginge es einem, der Faro verraten hatte. Er hatte keine Beziehungen, ihn konnte man leicht zum Sündenbock machen. Er musste unbedingt Merav warnen, ihr sagen, dass sie mit Gili verschwinden müsse.
Plötzlich wurde ihm bewusst, dass sie im Stau standen. Auf der Stelle. Neben ihnen war ein Polizeifahrzeug. Wenn er jetzt ausstiege, würden sie ihn nicht verfolgen. Garantiert wollten sie mit ihm nach Petach Tikwa, in die verlassene Lagerhalle. Dort könnten sie ihn nach Strich und Faden verhören und anschließend umbringen, ohne dass es einer mitbekäme. Monate würden vergehen, bis seine Leiche gefunden würde. Suchen würde ihn ohnehin keiner, da machte er sich keine Illusionen. Wer sollte ihn vermissen?
Wieder schielte er zu dem Polizeifahrzeug. Ein Wink des Schicksals?
Wie konnte er aus diesem Auto entkommen? Garantiert war die Tür von innen verriegelt.
Los, denk nach, versuchte er sich zu konzentrieren.
Er fing an zu husten. Keine Reaktion. Hustete wieder und wieder, beugte sich nach vorn und legte den Kopf auf die Konsole.
»Was ist los?«, fragte Me’ir ihn
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