Tag der Vergeltung
von ihm ablassen. Ihnen konnte man nicht entkommen. Was wäre das für ein Leben? Es würde darauf hinauslaufen, dass Gili und Merav immerzu auf der Flucht wären.
Hinter ihm hupte ein Truck, er schreckte zusammen, startete den Motor und kehrte auf die Straße zurück.
Er musste unbedingt mit Faro reden. Der Gedanke, dass er Verrat begangen hatte, war haltlos. Wenn er ihm gegenübersitzen, ihm in die Augen sehen würde, würde Faro es ihm abnehmen. Meschulam war ein Schlägertyp, Faro nicht. Er hatte gesunden Menschenverstand. Da war er sicher. Deshalb war er überhaupt in die Stadt zurückgekehrt.
Und wenn er ihn nicht umstimmen könnte? Das zerschundene Gesicht und den malträtierten Körper von Eli Nachum hatte er noch gut vor Augen. So würde auch er aussehen, wenn Faro überhaupt beschließen würde, ihn am Leben zu lassen. Wäre er nicht zur rechten Zeit gekommen, hätte Eli Nachum tot sein können. Wer würde eigentlich ihn retten, wenn die Sache schiefging?
Bevor er sich auf den Weg nach Tel Aviv gemacht hatte, hatte er in aller Eile ein Schreiben aufgesetzt, in dem er alle Geschehnisse dargelegt hatte. Er hatte es in einen Umschlag gesteckt und ihn Merav anvertraut. Bis zum letzten Moment war er unsicher gewesen, ob es der richtige Schritt war. Je weniger sie wissen würde, desto besser für sie. Dieses Schreiben konnte sie in große Gefahr bringen, sie zur Zielscheibe machen. Andererseits konnte es auch zur Lebensversicherung werden, falls alle Stricke reißen würden. »Nur falls ich nicht zurückkomme und du es nicht mehr aushältst. Falls du keine Wahl hast«, hatte er gesagt, als er ihr das Schreiben in die Hand drückte, und sie hatte es ihm versprochen. Vielleicht würde die Drohung mit dem Schreiben Faros Leute erschrecken. Natürlich würde er nicht sagen, wem er es anvertraut hatte, nur erzählen, dass es existierte und an die Öffentlichkeit käme, sollte ihm etwas zustoßen.
Von Weitem sah er die Azrieli Towers, schon zum zweiten Mal an diesem Tag.
Während eines wunderbaren Picknicks bei Orith, bevor sein Leben in die Brüche gegangen war, hatte er einmal gesagt, dass er für Gili sein Leben geben würde. Es waren keine leeren Worte gewesen, er hatte es aus tiefer Überzeugung gesagt. Dennoch gehörte es zu der Kategorie von Dingen, die Eltern stets sagten und dachten. Es kam einem leicht in den Sinn und genauso leicht über die Lippen, wenn keinerlei Gefahr drohte, man keine Bedenken haben musste, das Gesagte einlösen zu müssen.
* * *
»Ziv?« Noam klang äußerst überrascht.
Er hatte lange gegrübelt, wie er am besten mit Faro in Verbindung treten sollte. Zunächst hatte er ihn direkt anrufen wollen, doch das hätte dreist wirken können, so als habe er zu wenig Respekt. Damit hätte er ihn nur noch mehr gegen sich aufgebracht. Schließlich hatte er ihn noch nie in irgendeiner Angelegenheit kontaktiert. Meschulam anzurufen kam nicht infrage. Zu guter Letzt entschied er, dass es am besten sei, mit Noam zu reden. Trotz allem, was passiert war, bestand die Chance, dass Noam ihn von früher noch in guter Erinnerung hatte. Immerhin war er mal Noams Vorgesetzter gewesen, und Noam hatte ihm wiederum den Job bei Faro verschafft. Er gehörte nicht zur Organisation, war aber Faros Neffe. Den ganzen Tag über hatte er versucht ihn zu erreichen, aber er hatte sein Handy ausgeschaltet. Erst um elf Uhr abends hatte er ihn in der Leitung.
»Wo bist du?«, wollte Noam wissen.
»Hör mal, du musst mir einen Gefallen tun«, sagte Ziv schnell, bevor er es bereuen und auflegen konnte. »Ich muss mit deinem Onkel reden … so schnell wie möglich.«
»Sag mal, Nevo, machst du dich über mich lustig oder was? Auf welchem Planeten lebst du?« Noams Ton war ungewöhnlich bissig.
»Noam, ich schwöre dir, bei allem, was mir lieb ist, ich habe nichts getan … Sie jagen mich ohne Grund, ich war das nicht … Ich muss mit deinem Onkel reden.«
Noam erwiderte nichts.
»Nur fünf Minuten, um es zu erklären. Das ist alles. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich brauche Hilfe …«, versuchte er es erneut.
»Wo bist du?«
»Hier, in Tel Aviv. Sagt mir, wohin ich kommen soll, und ich werde dort sein. Fünf Minuten, mehr verlange ich nicht«, antwortete er.
»Lass mich ein paar Dinge klären und dann rufe ich dich zurück«, sagte Noam und legte auf.
Er stieg aus dem Auto und lief mit dem Telefon in der Hand auf und ab. Hatte er das Richtige getan? Vielleicht wäre Faro nicht im Mindesten bereit, ihm
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