Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tag und Nacht und auch im Sommer

Tag und Nacht und auch im Sommer

Titel: Tag und Nacht und auch im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
Vom Netzwerk:
kannte, die Verbindungen hatten oder haben mußten, also konnte es sicher nicht schaden, mit ihm zusammenzuarbeiten. Aber wie kann man mit einem zusammenarbeiten, wenn er einen auf die unflätigste Art beleidigt : Was’n los mit dir, Paddy? Kannst nich reden? Hat sich deine Mama vielleicht von ’ner Schneiderpuppe bespringen lassen?
    Jeder weiß, daß du es an den Kais oder auf der Rampe oder sonstwo nicht hinnehmen darfst, wenn einer deine Mutter beleidigt. Kinder wissen das von dem Moment an, da sie sprechen können. Vielleicht kann man seine Mutter gar nicht leiden, aber das spielt keine Rolle. Zu einem selbst kann jeder sagen, was er will, aber die Mutter beleidigen, das geht zu weit, und wenn man sich das gefallen läßt, ist man für die anderen gestorben. Wenn man jemanden braucht, der einem mit einer Ladung auf der Rampe oder auf dem Kai hilft, kehren einem alle den Rükken
zu. Man ist Luft für die anderen. Mit so einem Menschen teilt keiner auch nur ein Leberwurstbrot in der Mittagspause. Läuft man an den Kais und zwischen den Lagerhäusern herum und sieht einen Mann, der allein dasitzt und ißt, dann weiß man, daß er bis zum Hals in der Scheiße steckt. Das ist einer, der es geduldet hat, daß seine Mutter beleidigt wurde, oder der irgendwann einmal Streikbrecher war. Einem Streikbrecher kann man nach einem Jahr verzeihen, aber niemals einem Mann, der es zugelassen hat, daß jemand seine Mutter beleidigt.
    Ich revanchierte mich bei Dominic mit einem Army-Spruch. He, Dominic, du Fettsack, wann hast du eigentlich das letzte Mal deinen Schwanz gesehen und woher weißt du, daß du überhaupt einen hast?
    Er fuhr herum und stieß mich mit der Faust von der Rampe, und als ich auf der Straße landete, sah ich rot, sprang wieder auf die Rampe und krallte mit meinem Haken nach ihm. Er setzte dieses Lächeln auf, das besagte, du armseliger kleiner Scheißer, dich mach ich platt, und als ich nach ihm schlug, stieß er mit der flachen Hand mein Gesicht weg, und ich fiel wieder auf die Straße. Ein Schlag mit der flachen Hand ist das Schmählichste, was einem in einer Rauferei passieren kann. Ein Faustschlag ist eine saubere, ehrliche Sache. Damit arbeiten die Boxer. Aber die flache Hand im Gesicht bedeutet, daß man der letzte Abschaum ist, und lieber fängt man sich zwei blaue Augen ein, als daß man zum Abschaum wird. Die Veilchen verschwinden wieder, aber das andere bleibt einem für immer.
    Dann setzte er noch einen drauf. Als ich den Rand der Rampe packte, um mich wieder hochzuziehen, trat er auf meine Hand und spuckte mir auf den Kopf. Das brachte mich dermaßen in Rage, daß ich meinen Haken schwang, ihn hinten am Bein erwischte und zog, bis er brüllte, du kleiner Scheißer, wenn ich Blut an meinem Bein seh, bist du tot.
    Es kam kein Blut. Der Haken war am dicken Leder seiner Arbeitsstiefel abgerutscht, aber ich holte immer wieder aus, um
endlich Fleisch zu erwischen, bis Eddie die Treppe heruntergerannt kam und mich wegzog. Her mit dem Haken. Du bist mir vielleicht ein verrückter Mick. Mach dir Dominic zum Feind, und du bist nur noch ein Scheißhaufen auf der Straße.
    Er befahl mir: Geh rein, zieh dich um, geh durch eine Hintertür raus, fahr heim, laß dich hier nicht mehr blicken.
    Bin ich entlassen?
    Nein, verdammt, nein. Wir können nicht jeden entlassen, der hier eine Keilerei anfängt, aber das kostet dich einen halben Tageslohn. Den müssen wir Dominic zustecken.
    Aber warum soll ich Geld an Dominic verlieren? Er hat angefangen.
    Dominic bringt uns Umsatz, und du gibst hier nur ein Gastspiel. Wenn du längst deinen College-Abschluß hast, kommt er immer noch mit seinen Fuhren. Du hast Glück, daß du noch am Leben bist, Kleiner, also nimm deine Murmeln, und fahr heim. Denk mal drüber nach.
    Im Weggehen schaute ich zurück, ob Helena zu sehen war, und da stand sie tatsächlich, mit ihrem kleinen aufreizenden Lächeln, aber Eddie war auch da, und ich wußte, es war aussichtslos, nie könnte ich unter Eddies strengem Blick mit ihr im Dunkeln verschwinden.
    Irgendwann, wenn ich für den Gabelstapler eingeteilt war, würde ich mich an Fat Dominic rächen. Ich würde aufs Pedal treten, den Fettkloß gegen die Mauer quetschen und mich an seinem Gebrüll ergötzen. Das war mein Traum.
    Aber dazu kam es nie, und zwar deshalb, weil sich alles zwischen ihm und mir an dem Tag änderte, als er seinen Lastzug an die Rampe rangierte und aus der Kabine Eddie zurief, he, Eddie, wen hast du denn heute zum

Weitere Kostenlose Bücher