Tag und Nacht und auch im Sommer
jede High-School-Bildung studieren konnte, warum dann nicht Barbara? Wer sage denn, daß sie Kosmetikerin, Sekretärin oder sonstwas werden müsse?
Der Grund ist, junger Mann, daß Sie den Kindern Flöhe ins Ohr setzen. Wir versuchen hier, realistisch zu sein, und da kommen Sie mit Ihren unausgegorenen, verrückten Ideen daher. Ich werde mit ihr sprechen und ihr den Kopf zurechtsetzen müssen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich da raushielten. Unterrichten Sie Ihr Englisch, und überlassen Sie die Beratung mir. Er wandte sich zum Gehen, drehte sich aber noch einmal um. Es hätte doch wohl nichts damit zu tun, daß Barbara eine gutaussehende Blondine sei?
Ich wäre ihm zu gern ordentlich über den Mund gefahren. Scheiß-Streikbrecher lag mir auf der Zunge, aber ich sagte nichts. Er ließ mich stehen, und das war das letzte Mal, daß wir miteinander sprachen. War es der Streik, oder ging es um Barbara ?
Er legte mir eine Grußkarte in mein Fach: »Es heißt zwar, ›doch schauen sollt’ ich weiter als ich greife‹, nur wär’s besser, wenn die Kinder erst mal greifen könnten. Wecken Sie keine unerfüllbaren Träume. Gruß, Fergus Bibberstein.«
TEIL II
Nur ein Esel frißt Disteln
9
1966, nach acht Jahren an der McKee, fand ich es an der Zeit, mir etwas anderes zu suchen. Ich hatte immer noch Mühe, täglich fünf Klassen bei der Stange zu halten, obwohl mir das Prinzip inzwischen klar war: Man muß im Klassenzimmer seinen eigenen Weg finden. Man muß sich selbst finden. Man muß seinen eigenen Stil, seine eigenen Methoden entwickeln. Man muß die Wahrheit sagen, sonst wird man ertappt. Moment mal, Mister, da haben Sie vorige Woche aber was anderes gesagt. Es ist keine Sache von Tugend oder Moral.
Also, ade, McKee Vocational and Technical High School. Mit meinem neuen Magistertitel gehe ich ans New York Community College in Brooklyn, wo ich über einen Freund, Professor Herbert Miller, eine Stelle als Lehrbeauftragter bekommen habe – die unterste Stufe in der Hochschulhierarchie. Ich werde nur noch fünf bis sechs Stunden pro Woche statt pro Tag geben. Ein herrliches Leben erwartet mich – freie Zeit in Hülle und Fülle. Zwar werde ich nur halb soviel verdienen wie ein High-School-Lehrer, aber die Studenten werden erwachsen sein, sie werden zuhören und mir mit Respekt begegnen. Sie werden nicht mit Gegenständen werfen. Sie werden sich nicht über jede Arbeit beschweren, die man ihnen im Unterricht oder für zu Hause aufgibt. Außerdem werden sie mich mit Herr Professor anreden, und das wird mein Selbstbewußtsein stärken. Ich soll zwei Kurse halten: Einführung in die Literatur und Grundkurs Kreatives Schreiben.
Meine Studenten waren erwachsen, überwiegend unter dreißig, und arbeiteten in Läden, Fabriken und Büros überall in der Stadt. In einem Kurs waren dreiunddreißig Feuerwehrleute, die
ein College-Diplom anstrebten, um ihre Aufstiegschancen zu verbessern, allesamt weiß, die meisten Iren. Fast alle anderen waren Schwarze oder Hispano-Amerikaner.
Ich hätte einer von ihnen sein können – tagsüber arbeiten, abends studieren. Da es keine Probleme mit der Disziplin gab, mußte ich mich umstellen und eine Unterrichtstechnik entwikkeln, bei der ich nicht dauernd zu sagen brauchte, hinsetzen, bitte, Ruhe, bitte. Wenn jemand zu spät kam, entschuldigte er sich und ging an seinen Platz. Ich wußte kaum, was ich tun sollte, als die ersten Studenten hereinströmten, sich setzten und auf meine Vorlesung warteten. Niemand mußte austreten. Niemand meldete sich, um einen anderen zu beschuldigen, er habe ihm ein Sandwich oder ein Buch oder seinen Platz weggenommen. Niemand versuchte, mich vom Thema abzubringen, indem er mich nach Irland im allgemeinen oder meiner unglücklichen Kindheit im besonderen fragte.
Du mußt dich nur da oben hinstellen und unterrichten, Mann.
Eine Fußnote, meine Damen und Herren, ist eine Anmerkung am Seitenende, in der Sie Ihre Informationsquelle angeben.
Eine Hand.
Ja, Mr. Fernandez?
Wieso?
Wieso was?
Ich mein, wenn ich über die New York Giants schreibe, warum kann ich nicht einfach sagen, ich hab’s in der Daily News gelesen? Warum nicht?
Weil das eine Facharbeit ist, Mr. Fernandez, und das bedeutet, daß Sie exakt angeben müssen, exakt, Mr. Fernandez, woher Sie Ihre Information haben.
Ich weiß nich, Herr Professor, ich mein, ist das nicht ein bißchen viel Aufwand? Ich schreib da diese Arbeit über die Giants und warum sie eine schlechte Saison
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