Tag und Nacht und auch im Sommer
Fünfzehnjährigen, die aufgekratzt sind, weil sie einen Tag schulfrei haben, und aufgeputscht von Keksen und Süßigkeiten und rosa Limonade. Versuchen Sie mal, sie Tag für Tag zu unterrichten, während die Sie ansehen, als wären Sie ein Schneemann, der gleich schmelzen wird.
Ich sagte nichts und hoffte auf das Rumpeln des einfahrenden Zuges.
Im Zug schnatterten sie und schubsten sich gegenseitig und balgten sich um Sitzplätze. Die anderen Passagiere schnitten feindselige Gesichter. Warum sind diese Negerkinder nicht in der Schule? Kein Wunder, daß sie dumm bleiben.
An der West Fourth Street stieg eine dicke weiße Frau watschelnd ein und blieb mit dem Rücken zur sich schließenden Tür stehen. Die Mädchen starrten sie an und kicherten hämisch. Sie starrte zurück. Was glotzt ihr denn so, ihr blöden Gänse?
Serena war die mit den schlagfertigen, provozierenden Sprüchen. Sie sagte, wissen Sie, wir haben noch nie einen Berg in die U-Bahn einsteigen sehen.
Ihre achtundzwanzig Klassenkameradinnen bogen sich vor Lachen, schnappten theatralisch nach Luft, lachten weiter. Serena starrte die Frau an, ohne eine Miene zu verziehen, und die Dicke sagte, komm her zu mir, Schätzchen, dann zeig ich dir, wie beweglich ein Berg sein kann.
Ich war der Lehrer. Ich mußte Autorität zeigen, aber wie? Dann überkam mich eine seltsame Regung. Ich sah die anderen Fahrgäste, ihre vorwurfsvollen Blicke, und es drängte mich, zurückzuschlagen, meine neunundzwanzig zu verteidigen.
Ich stellte mich mit dem Rücken zu der dicken Frau, um zu verhindern, daß Serena ihr auf den Leib rückte.
Ihre Klassenkameradinnen riefen im Chor, los, Serena, los.
Die Bahn fuhr in die Station Fourteenth Street ein, und die dicke Frau stieg rückwärts aus. Dein Glück, daß ich hier raus muß, Kleine, sonst hätte ich dich zum Frühstück verspeist.
Serena rief ihr nach, ja, ja, Dickmadam, klar, daß du ein Frühstück brauchst.
Sie machte Anstalten, der Frau nachzulaufen, aber ich vertrat ihr den Weg und sorgte dafür, daß sie in der Bahn blieb, bis wir die Forty-second Street erreichten. Die Art, wie sie mich ansah, machte mich stolz, aber auch nachdenklich. Wenn ich sie für mich gewann, hätte ich die ganze Klasse auf meiner Seite. Sie würden sagen, das ist Mr. McCourt, der Lehrer, der Serena in der U-Bahn davon abgehalten hat, sich mit einer Weißen zu fetzen. Der ist für uns. Der ist okay.
Als sie die Porno- und Sexshops an der Forty-second Street sahen, waren sie nicht mehr zu halten. Sie johlten und kicherten und posierten wie die halbnackten Figuren in den Schaufenstern.
Mr. McCourt, Mr. McCourt, dürfen wir da rein?
Nein, nein. Könnt ihr nicht lesen? Zutritt erst ab einundzwanzig. Kommt weiter.
Ein Polizist stand vor mir.
Ja. Ich bin ihr Lehrer.
Und was haben diese Halbwüchsigen am hellichten Tag auf der Forty-second Street verloren?
Ich wurde verlegen, errötete. Wir gehen ins Kino.
Na wunderbar. Ins Kino. Und dafür zahlen wir Steuern. Okay, Mister, sorgen Sie dafür, daß die Mädchen weitergehen.
Also los, Mädchen, sagte ich, weiter geht’s. Geradeaus zum Times Square.
Maria ging neben mir. Sie sagte, wissen Sie, wir waren noch nie am Times Square.
Ich hätte sie umarmen können dafür, daß sie mit mir redete, aber mir fiel nichts Besseres ein als, du müßtest mal am Abend herkommen und dir die Lichter ansehen.
Im Kino stürmten sie zum Schalter und drängelten. Fünf blieben dicht bei mir und sahen mich von der Seite an. Was ist denn? Wollt ihr euch keine Karte kaufen?
Sie traten von einem Bein aufs andere, schauten weg und sagten, sie hätten kein Geld. Fast hätte ich sie angefahren, warum seid ihr dann überhaupt mitgekommen?, aber ich wollte unsere aufkeimende Beziehung nicht gefährden. Morgen würden sie mich vielleicht wie ihren Lehrer behandeln.
Ich kaufte die Karten, verteilte sie, hoffte auf einen Blick oder ein Dankeschön. Nichts. Sie nahmen die Karten, rannten ins Foyer und stracks zum Kiosk, gaben das Geld aus, das sie angeblich nicht hatten, und stiegen mit Popcorn, Schokoriegeln und Colaflaschen die Treppe hinauf.
Ich folgte ihnen auf den Balkon, wo sie herumtobten, sich um die besten Plätze zankten und die anderen Besucher störten. Ein Platzanweiser beschwerte sich bei mir, so geht das nicht, und ich sagte zu den Mädchen, bitte setzt euch hin, und seid still.
Sie ignorierten mich. Ein Rudel von neunundzwanzig schwarzen Mädchen, übermütig und aufsässig. Sie bewarfen sich
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