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Tag und Nacht und auch im Sommer

Tag und Nacht und auch im Sommer

Titel: Tag und Nacht und auch im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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gegenseitig mit Popcorn und schrien in den Vorführraum hinauf, he, wann geht’s endlich los? Das Leben ist kurz.
    Der Vorführer sagte, wenn die keine Ruhe geben, muß ich den Geschäftsführer rufen.
    Ich sagte, ja. Da will ich dabeisein, wenn der Geschäftsführer kommt. Bin gespannt, wie der mit ihnen zurechtkommt.
    Aber der Saal wurde abgedunkelt, die Vorführung begann, und meine neunundzwanzig Mädchen wurden still. In der ersten
Einstellung sah man eine mustergültige amerikanische Kleinstadt, idyllische Alleen, blonde weiße Kinder, die auf ihren kleinen Fahrrädern herumflitzten, untermalt mit heiterer Hintergrundmusik, die uns sagen sollte, daß in dieser heilen amerikanischen Welt alles zum Besten stand, und aus der ersten Reihe Balkon kam ein gequälter Schrei eines meiner neunundzwanzig Mädchen, he, Mr. McCourt, wieso schleppen Sie uns in so einen Bleichnasenfilm?
    Sie lästerten den ganzen Film hindurch.
    Der Platzanweiser richtete seine Taschenlampe auf sie und drohte mit dem Geschäftsführer.
    Ich redete ihnen gut zu. Bitte seid still, Mädels. Sonst kommt der Boß.
    Sie intonierten im Chor:
    Wer hat Angst vorm bösen Boß
Wer hat Angst vorm bösen Boß
Hi ho Daddy oh
Wer hat Angst vorm bösen Boß?
    Sie sagten, der Geschäftsführer kann uns mal, und da riß dem Platzanweiser endgültig der Geduldsfaden. Er sagte, jetzt reicht’s. Entweder, ihr benehmt euch, oder ihr fliegt raus, r-a-u-s.
    Hoppla, buchstabieren kann er auch. Okay, okay. Wir sind ja schon still.
    Als der Film zu Ende war und das Licht anging, blieben sie alle sitzen.
    Das war’s, sagte ich. Gehen wir. Der Film ist aus.
    Haben wir gemerkt. Wir sind ja nicht blind.
    Ihr müßt jetzt nach Hause.
    Sie sagten, sie wollten bleiben. Sie wollten sich diesen Bleichnasenfilm noch mal ansehen.
    Aber ich gehe, sagte ich.

    Okay, gehen Sie ruhig.
    Sie wandten sich ab, um sich noch einmal Cold Turkey anzusehen, diesen langweiligen Bleichnasenfilm.
     
    In der nächsten Woche sagten die neunundzwanzig Mädchen, war das schon alles? Keine Ausflüge mehr? Sollen wir bloß immer hier rumhocken und über Substantive reden und das Zeug abschreiben, was Sie an die Tafel malen? Sonst nichts?
    In meinem Fach lag ein Rundschreiben, in dem unseren Schülern der Besuch einer College-Aufführung von Hamlet auf Long Island angeboten wurde. Ich warf es in den Papierkorb. Neunundzwanzig Mädchen, die sich Cold Turkey gleich zweimal hintereinander ansahen, würden mit Hamlet nichts anfangen können.
    Tags darauf wieder Fragen.
    Wieso machen die anderen Klassen alle diese Theaterfahrt und wir nicht?
    Na ja, es ist ein Stück von Shakespeare.
    Ja, und?
    Ich konnte ihnen ja nicht gut die Wahrheit sagen: Ich traue euch nicht zu, daß ihr bei Shakespeare auch nur ein Wort versteht. Ich sagte, es sei ein schwer verständliches Stück, das ihnen wahrscheinlich nicht gefallen würde.
    Aha. Und worum geht’s in dem Stück?
    Es heißt Hamlet . Es handelt von einem Prinzen, der nach Hause kommt und erschüttert feststellt, daß sein Vater tot und seine Mutter schon mit dem Bruder seines Vaters verheiratet ist.
    Kann mir denken, wie’s weitergeht, sagte Serena.
    Die anderen riefen, wie denn? Wie denn?
    Der Bruder, der die Mutter geheiratet hat, versucht, den Prinzen umzubringen, stimmt’s?
    Ja, aber das kommt erst später.
    Ein herablassender Blick von Serena. Klar kommt das später.
Alles kommt später. Wenn alles gleich am Anfang kommt, gibt’s nix mehr, was später kommen könnte.
    Donna fragte, wovon redest du?
    Geht dich nichts an. Ich rede mit dem Lehrer über den Prinzen.
    Handgreiflichkeiten lagen in der Luft. Ich mußte einschreiten. Ich sagte, Hamlet nimmt es seiner Mutter übel, daß sie seinen Onkel geheiratet hat.
    Wow, sagten sie.
    Hamlet denkt, sein Onkel hätte seinen Vater getötet.
    Sag ich doch, sagte Serena. Wozu sag ich was, wenn Sie’s dann noch mal sagen? Jetzt wissen wir immer noch nicht, warum wir nicht hinfahren. Die Weißen dürfen das Stück sehen, bloß weil der Prinz ein Weißer ist.
    Okay, ich seh mal, was ich tun kann.
     
    Sie stellten sich an, um in den Bus zu steigen. Vorbeikommenden Passanten und Autofahrern sagten sie, wir fahren nach Long Island, dieses Stück über eine Frau angucken, die den Bruder von ihrem toten Mann heiratet. Die puertoricanischen Jungen fragten, ob sie in meiner Nähe sitzen dürften. Sie wollten nicht bei den verrückten Mädchen sitzen, die pausenlos über Sex und so labern.
    Kaum war der Bus

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