Tag und Nacht und auch im Sommer
losgefahren, machten die Mädchen ihre mitgebrachten Tüten auf, tauschten und futterten. Tuschelnd vereinbarten sie, daß die einen Preis kriegen sollte, die es schaffte, den Busfahrer mit einem Stück Brot zu treffen. Jede würde zehn Cent beisteuern, der Siegerin winkten also zwei Dollar achtzig. Aber der Fahrer beobachtete sie im Rückspiegel und sagte, nur zu. Nur zu, macht schon, aber dann waren eure schwarzen Ärschchen die längste Zeit in meinem Bus. Die Mädchen sagten, ja, ja, schon gut, auf ihre keck-verwegene Art. Und dann sagten sie nichts mehr, denn der Fahrer war ein Schwarzer, und sie wußten, daß sie dem nicht dumm kommen konnten.
In dem College verkündete ein Mann mit einer Flüstertüte, man erwarte, daß die Lehrer ihre Klassen zusammenhalten.
Der Konrektor von meiner Schule sagte mir, man verlasse sich darauf, daß ich in meiner Klasse für Ordnung sorge. Diese Klasse hat einen gewissen Ruf, sagte er.
Ich führte sie in den Saal und blieb im Mittelgang stehen, während sie sich stießen und schubsten und um die Plätze stritten. Die puertoricanischen Jungen fragten, ob sie weit von ihnen weg sitzen dürften. Als Serena sie Pico und Bello nannte, fingen die anderen zu kichern an und hörten nicht mehr auf, bis der Geist von Hamlets Vater erschien und alle in Angst und Schrecken versetzte. Der Geist ging auf schwarz verhüllten Stelzen, und die Mädchen waren hin und weg. Als der auf ihn gerichtete Scheinwerfer abgedunkelt wurde und er in der Kulisse verschwand, rief Claudia, die neben mir saß, Mann, ist der süß. Wo will der hin? Kommt er wieder, Mr. McCourt?
Ja, ja, sagte ich, peinlich berührt von dem indignierten Zischen ernsthafter Leute ringsum.
Claudia klatschte jedesmal, wenn der Geist wieder auftrat, und jammerte, wenn er abging. Der soll wiederkommen, sagte sie, der ist klasse.
Als das Stück aus war, die Darsteller sich verbeugten und kein Geist dabei war, sprang sie auf und rief zur Bühne hinauf, wo ist der Geist? Ich will den Geist. Wo ist der Geist?
Die anderen achtundzwanzig standen ebenfalls auf und riefen nach dem Geist, bis einer der Schauspieler verschwand und kurz darauf der Geist auf die Bühne kam. Die neunundzwanzig applaudierten und jubelten und sagten, mit dem möchten sie mal weggehen.
Der Geist legte seinen schwarzen Hut und sein schwarzes Gewand ab, um zu zeigen, daß er ein ganz normaler Student war, kein Grund zur Aufregung. Die neunundzwanzig stöhnten auf und schimpften, das ganze Stück sei eine einzige Verarschung, vor allem der getürkte Geist, und sie versicherten, nie wieder
würden sie sich so ein getürktes Stück ansehen, nicht mal, wenn sie bei diesem Mr. McCourt mit seiner Rechtschreibung und dem anderen Englischkram sitzen müßten, nicht mal, wenn alle anderen Klassen hinfahren würden.
Auf der Heimfahrt schliefen alle ein, alle bis auf Serena, die hinter dem Busfahrer saß. Als sie ihn fragte, ob er Kinder habe, sagte er, er dürfe beim Fahren nicht sprechen. Das sei gegen die Vorschrift, aber ja, er habe Kinder und er wolle nicht, daß eins von ihnen später mal Busfahrer werde. Er schufte sich ab, um sie auf gute Schulen schicken zu können, und wenn sie nicht täten, was man ihnen sagt, würden sie ihn kennenlernen. Er sagte, als Schwarzer müsse man in diesem Land härter arbeiten, aber das mache einen letzten Endes nur stärker. Wenn du dich mehr reinknien und abstrampeln mußt, bekommst du stärkere Muskeln, und dann kann dich keiner mehr aufhalten.
Serena sagte, sie würde gern Friseuse werden, aber der Busfahrer meinte, dafür bist du zu schade. Willst du dich dein Leben lang hinstellen und nörgeligen alten Schachteln die Haare machen? Du bist intelligent. Du kannst aufs College gehen.
Ja? Meinen Sie wirklich, ich kann aufs College gehen?
Warum nicht? Du bist intelligent, und du sprichst gut. Also warum nicht?
Das hat mir noch niemand gesagt.
Na, ich sag’s dir jedenfalls. Verkauf dich nicht zu billig.
Okay, sagte Serena.
Okay, sagte der Busfahrer. Er lächelte ihr im Rückspiegel zu, und wahrscheinlich lächelte sie zurück. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen.
Er war Busfahrer und schwarz, und als sie sich ihm so anvertraute, dachte ich mir, um wie viele Menschen es auf dieser Welt doch schade war.
Am nächsten Tag will Claudia wissen, wieso haben alle auf dem Mädchen rumgehackt?
Auf Ophelia?
Ja. Jeder hackt auf dem armen Mädchen rum, und dabei ist sie noch nicht mal schwarz. Warum? Der Typ, der andauernd diese
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