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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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geliehen und niemals zurückgegeben hatte. Ich versammelte meine Annehmlichkeiten um mich. Das war gut, genau genommen war es besser als alles, was ich seit Ewigkeiten gemacht hatte. Ausgenommen vielleicht der Phoenix Park. Ich schloss fest die Augen und zwang meinen Kopf so schnell aus dem
Park hinaus, in die Stadt, über den Fluss, die Camden Street hoch und zurück zur Wohnung, wie ich nur konnte. Bernard hatte eine Verabredung mit Caroline, und Caroline war verrückt nach ihm, und darüber nachzudenken, machte mich traurig, und ich hatte es satt, mich traurig zu fühlen, folglich würde ich diesen Gedanken nicht denken.
    Zuerst war es schwer, das Buch zu öffnen. Die Seiten waren starr geworden und manche waren von der Feuchtigkeit zusammengeklebt. Ich wollte die Seite 289 aufschlagen, wo sich meine Lieblingsstelle befand. Ich hatte sie unterstrichen, als ich sie zum dritten Mal gelesen hatte. Um daran zu kommen, musste ich eine Nagelfeile zwischen die Seiten 288 und 289 schieben. Als ich es versuchte, fiel etwas zwischen den beiden Seiten heraus und landete auf meinem Schoß. Ein Foto. Es lag mit der Oberseite nach oben, das Bild sah mich an, sodass ich es sofort erkannte. Ich lächelte, nahm es hoch und wischte mit meinen Fingerspitzen den Staub ab. Es musste vor etwa zwei Jahren aufgenommen worden sein, im Garten hinter unserer Wohnung. Es war unser erster Versuch zu grillen, obwohl wir, wenn ich mich richtig entsinne, schließlich gegen Mitternacht chinesisches Essen bestellten. Das Fleisch war hart und außen schwarz, innen roh und rot.
    Patrick, Caroline und ich kneifen unsere Augen gegen das Sonnenlicht zusammen. Es war an einem dieser Spätsommerabende. Patrick steht in der Mitte, seine Arme liegen um unsere Schultern, er hält uns mehr im Schwitzkasten, als dass er uns umarmt. Er trägt eine hohe, weiße Haube mit Falten wie ein Chefkoch und eine Schürze, auf der »Sexy Hexi« steht (ein Geschenk von Laura an mich, vor etwa sechs Jahren). Wir kringelten uns vor Lachen. Ich kann mich jetzt nicht mehr erinnern, warum, aber ich entsinne mich, dass mir davon der Bauch wehtat. Wenn man
aus gesundheitlichen Gründen wirklich aufhören sollte zu lachen, es aber nicht kann. Das Gras ist hoch und reicht uns fast bis zu den Knien, es sieht nach einer Wiese aus, zumal es mit allen Arten von Wildblumen durchsetzt ist, an deren Namen ich mich nicht erinnere, weil ich sie schon vorher nie wusste. Es ist ein gutes Foto. Ein tolles Foto. Hinter dem Fotografen geht die Sonne unter, und das Licht scheint in unseren Gesichtern eingefangen zu sein, als würden sie immer so aussehen und nicht nur in jenem Augenblick, bevor die Sonne untergegangen ist.
    Ich lachte, und zwar nicht dieses Lachen, das gefährlich nahe dran ist, in ein Weinen umzuschlagen. Ein richtiges Lachen, ein laut herausgelachtes Lachen, weil man gar nicht anders kann, wenn man sich dieses Bild ansieht. Und weil ich es satt hatte, mich elend zu fühlen. Ich wusste, was ich machen würde. Ich wusste, wo ein leerer Rahmen stand (in Carolines Zimmer, eigentlich mit einem Foto von ihr und ihrer Nichte darin, doch ich war überzeugt, dass Caroline es mir nicht übelnehmen würde). Genau genommen würde sie sich freuen, denn es würde das Erste sein. Das erste Bild von Patrick, das in der Wohnung aufgestellt wurde. Ich stellte es neben die Lampe auf den Kaminsims, und es sah aus, als würde es schon immer da stehen. Danach ging ich zur Couch zurück, machte es mir unter der Decke bequem mit meiner Schokolade und meinem Tee und den Hausschuhen und dem Buch, das ich zwölfmal gelesen hatte, blätterte auf Seite 289 und begann zu lesen.

30
    Sonntag war ein komischer Tag. Nicht lustig, sondern eher eigenartig. Ich meine, nichts hatte sich geändert, aber etwas war anders geworden. Ich fühlte mich anders. Allerdings hat das Leben die Angewohnheit, immer denselben gewohnten Weg einzuschlagen, selbst wenn man sich ein wenig anders fühlt. Zunächst einmal war Shane noch immer da. Er war heimgekommen, nachdem ich schon zu Bett gegangen war, und obwohl ich noch wach war, machte ich meine Augen nicht auf, als er meinen Namen flüsterte, und hielt sie noch lange geschlossen, nachdem er schon eingeschlafen war.
    Das Erste, was mir auffiel, nachdem ich aufgestanden war, war, dass sich Caroline nicht in der Wohnung befand. Ich wusste es genau, denn ich schlich mich, für den Fall, dass sie da sein sollte, bereits eine Ausrede im Kopf, in ihr Zimmer. Der Raum war leer und

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