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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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das Bett gemacht. Das konnte nur eines von beidem bedeuten: Caroline war früh aufgestanden, hatte ihr Bett gemacht und war ausgegangen. Das lag nicht außerhalb des Bereichs des Möglichen, auch wenn es sich verrückt anhört, so etwas vor 8 Uhr morgens an einem Sonntag zu machen, schließlich haben wir es hier mit Caroline zu tun, also war es möglich. Möglichkeit Nr. 2: In dem Bett war überhaupt nicht geschlafen worden, womit es noch vom gestrigen Tag so frisch gemacht ausgesehen hätte. Ich rannte aus dem Zimmer und durchsuchte die Wohnung nach Hinweisen darauf, dass sie da gewesen
und weggegangen, aber nicht einfach weggegangen und weggeblieben war. Denn wenn sie weggegangen und nicht zurückgekommen war, hieß das, dass sie mit Bernard O’Malley zusammen war. Und wenn sie um 8 Uhr an einem Sonntagmorgen mit Bernard O’Malley zusammen war, folgte logischerweise daraus, dass sie mit ihm seit gestern Abend zusammen war. Ich flitzte in der Wohnung herum, schaute in jeden Winkel. Der Mantel – mein Mantel -, den sie gestern Abend getragen hatte, befand sich nicht in der Garderobe. Die Sandaletten fehlten auf dem Regal, wo sie sie in der Abfolge der Jahreszeiten aufstellte (ich denke mir das nicht aus). Die Badewanne war trocken, also hatte sie nicht geduscht, wenn sie allerdings joggen war, würde sie mit dem Duschen bis nachher warten. Sie würde aber wohl kaum in einem langen Mantel und mit Highheel-Sandaletten joggen gehen, oder? Ich gab auf und ließ mich auf einen Küchenstuhl sinken. Dann entdeckte ich es. Eine Nachricht. Zwischen dem Salz- und dem Pfefferstreuer deponiert, mit meinem Namen darauf und in Carolines Handschrift. Eine Nachricht, die heute Nacht noch nicht da gewesen war, was bedeutete, dass Caroline sie heute Morgen geschrieben haben musste. Was wiederum bedeutete, dass sie die Nacht nicht mit Bernard verbracht hatte. Der Gedanke erleichterte mich. Ich streckte die Hand aus und faltete den Zettel auseinander. Die Nachricht war kurz:
    Grace, bin losgezogen, um Patrick zu besuchen. Bis später, alles Liebe, Cats
    XX
    Caroline zog oft los, um Patrick zu besuchen. So nannte sie es. Sie sagte nie, dass sie zum Grab ging. Oder zum Friedhof.

    »Willst du nicht mit mir kommen, Grace?«, fragte sie mich einmal. Ich schüttelte den Kopf, und sie fragte mich kein zweites Mal.
    Nun begann ich mir den Kopf zu zerbrechen, was es wohl zu bedeuten hatte, wenn sie am Morgen nach einer Verabredung mit Bernard O’Malley losgezogen war, um Patrick zu besuchen. War es ein gutes Zeichen? Oder ein richtig schlechtes? Ich verabscheute mich dafür, dass ich hoffte, es würde Letzteres bedeuten.
    Dann kam Shane in die Küche, und das Leben begann wieder, sich ein kleines bisschen anders anzufühlen, obwohl es noch immer dasselbe war.
    Wir verbrachten die Zeit, die uns am Sonntag blieb, damit, dass wir umeinander herumschlichen, die leeren Räume mit Sex, Essen, Bier und zwei heimlichen Zigaretten ausfüllten, die ich rauchte, indem ich aus dem Badezimmerfenster hing und danach Deodorantwolken in dem kleinen Raum versprühte. Shane äußerte sich nicht klar dazu, ob er zu Clares Hochzeit am kommenden Wochenende kommen würde.
    »Lass uns mal sehen, ich kann nichts versprechen. Im Augenblick habe ich sehr viel Arbeit.« Und schließlich: »Ich bin doch jetzt hier, oder etwa nicht? Herrgott nochmal, Grace.« Danach schnitt ich das Thema nicht mehr an.
    Er sprach eine Menge über seine Arbeit.
    »Wenn ich aus London zurückkomme, könnte ich in Dublin gute Aussichten auf eine Stellung als Vertriebsleiter haben.«
    Er sprach von Brazil. Das hatte nichts mit dem Land zu tun, nein, er meinte diese Frau in seinem Büro, die Shane freundlicherweise unter ihre Fittiche genommen hatte.
    »Sie ist eine wirklich erstaunliche Frau, Grace.«
    Ich meine, komm schon, wer heißt denn bitte Brazil?
Wenn sie eine Figur in Reich und Schön gewesen wäre oder ein berühmter Pornostar, aber eine Verkäuferin in der EDV-Branche? Das war zu viel. Ich konnte mir glatt vorstellen, wie sie aussah. Ich musste es, denn Shane schmückte in dieser Hinsicht nichts aus. Sie war eine Latinoschönheit, mit Beinen bis hoch zu ihren glatten Achseln, kaffeebrauner Haut, so weit das Auge reichte, und Wimpern, die sich gerade an der richtigen Stelle bogen. Wieso konnte ihn nicht ein Mann mittleren Alters, der Maurice hieß, unter seine Fittiche nehmen? Warum war das nie der Fall?
    Wir sprachen flüchtig über meine Beförderung.
    »Musst du mit diesem

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