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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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Luft. Mein Gesicht war rot, und mein Kopf pochte von dem ganzen Auf-dem-Kopf-Stehen. Caroline ging in die Küche und kam mit zwei Flaschen Bier zurück, die ich und Shane übersehen hatten – ich musste sie in das Obstfach gelegt haben. Dort war immer jede Menge Platz.
    Caroline reichte mir ein Bier und seufzte, wodurch ein paar Blätter, die auf dem Couchtisch lagen, aufgewirbelt
wurden und sanft zu Boden segelten. Dort lagen sie wie Seerosenblätter auf einem Teich.
    »Ich war wirklich dumm«, sagte sie.
    »Wieso?«
    »Weil ich Bernard gebeten habe …« Hier brach sie ab und trank einen kräftigen Schluck Bier.
    »Um was hast du ihn gebeten?« Meine Gedanken überschlugen sich.
    »Darum, dass er mit zur Hochzeit kommt.«
    Guter Gott. Caroline bat niemals irgendjemanden irgendwohin: Immer war sie die Gebetene, nie die Bittende.
    »Was hat er gesagt?«
    »Dass er sowieso geht.«
    »Er geht sowieso?«
    »Richie Rich, der verdammte Kerl, hat ihn eingeladen. Er ist sein Cousin dritten Grades, um zwei Ecken oder so.«
    »Nein, er ist sein Cousin ersten Grades. Einer von Zwillingsbrüdern.« Ich stellte sie mir damals auf dem Strand vor. Zwei Jungen, die Haare fielen über sommersprossige Gesichter. Die Arme hatten sie umeinander geschlungen. »Seine Mutter ist Mary, die jüngere Schwester vom Vater von Richie Rich«, erklärte ich.
    Caroline sah mich an, als wäre ich restlos übergeschnappt.
    »Woher weißt du das alles?«
    »Ich habe Clare gefragt. Einfach so aus Interesse. Beim Essen. Gestern Abend.« Ich sprach schnell und schaute sie dabei nicht an.
    »Aber darum geht es verdammt nochmal nicht!«, schrie sie.
    Jetzt war ich verwirrt.
    »Nur weil er sowieso hingeht, heißt das doch nicht, dass er nicht mit mir hingehen kann. Weißt du. Als, als mein …«
Sie dabei zu beobachten, wie sie sich abmühte, das Wort auszusprechen, war eine Qual.
    »Dein Freund?«, half ich ihr behutsam weiter.
    »Na ja, nein, ich meine, als … du weißt schon, mein Partner. Nur für den einen Tag, meine ich. Nicht im Sinn einer langfristigen Bindung oder etwas in der Art. Nur mein Partner oder so. Für den einen Tag halt.«
    »Was hat er denn gesagt?«
    »Ich habe dir erzählt, was er gesagt hat.«
    »Und was hast du gesagt?« Diese Unterhaltung kam dem Ziehen von Backenzähnen gleich, nur war dies hier schwieriger.
    »Nichts. Überhaupt nichts, Mist, verdammter.«
    Nun wirkte sie ganz ausgelaugt. Ließ sich auf die Couch sinken, die Haare fielen ihr übers Gesicht, das Kinn hatte sie in die Hand gestützt. Ich brannte darauf, etwas über ihre gestrige Verabredung mit Bernard zu erfahren. Hatte er sie geküsst? Hat er sie mit in den Park genommen? Hatte er ihr gesagt, dass sie eine interessante Frau sei? Zog er das vielleicht bei allen Frauen so durch, die er traf? Dass er sie küsste, sie mit in den Park nahm und ihnen erzählte, sie seien interessant? Und das Schlimmste: Würden sie sich wiedersehen?
    »Ich würde ihn wirklich sehr gerne wiedersehen«, sagte Caroline.
    »Und wirst du ihn wiedersehen?« Während ich auf ihre Antwort wartete, hielt ich den Atem an. Das hier war wie ein Autounfall, wo man nicht hinsehen wollte, aber auch nicht wegsehen konnte.
    »Ich weiß es nicht. Er hat mich nicht gefragt, und nach der ganzen Hochzeitsgeschichte habe ich es nicht erwähnt.«
    »Heiße Schokolade«, sagte ich in den Raum hinein und stand auf.

    »Hä?« Caroline hob ihren Kopf, um mich anzuschauen.
    »Und eine heiße Wärmflasche«, endete ich theatralisch.
    »Aber es ist nicht kalt.«
    »Egal. Genau das brauchst du jetzt. Und ein Buch von Maeve Binchy.«
    »Ein Buch von Maeve Binchy?« Sie sah mich verdutzt an.
    »Ja, genau. Das ist die beste Medizin gegen widerstreitende Gefühle und Angst. Glaub mir.«
    Sie nickte mir hoffnungsvoll zu, wie eine Sechsjährige, die unter dem Kopfkissen einen blutigen Zahnstummel liegen hat und auf die Zahnfee hofft.
    Mein Gott, Männer. Hatten sie überhaupt eine Ahnung von den Qualen, die wir wegen ihnen ertragen mussten? Und Carolines Qualen waren von keinem anderen als Bernard O’Malley verursacht worden. Diese Tatsache lag mir unangenehm im Magen, wie eine schwere Pizza.
     
    Wie eine Glucke brachte ich Caroline ins Bett und zurrte die Decke so fest um sie, dass sie sich kaum bewegen konnte. Ihr Gesicht war von der Hitze der Wärmflasche gerötet, und auf dem Nachttisch wartete wie ein Beruhigungsmittel eine betagte Ausgabe von Im Kreis der Freunde.
    »Übrigens, ich mag das Foto«, sagte sie

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