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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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leise.
    »Hm, ja. Es ist ein gutes Bild von ihm. Ich dachte, es wäre schön, es zu rahmen.« Ich schaute sie an, und sie nickte lächelnd.
    »Ich bin froh, dass du das getan hast, Grace. Das bin ich wirklich.« Sie lehnte sich in das Kissen zurück und wirkte plötzlich erschöpft. Ich schaltete die Lampe neben ihrem Bett aus.
    »Schlaf jetzt, Cats. Morgen früh sieht alles besser aus.« Als ich das sagte, musste ich über mich selber lachen. Meine
Mutter hatte es immer zu uns gesagt, als wir jünger waren. Caroline antwortete nicht, und ich dachte, sie wäre bereits eingeschlafen. Leise ging ich zur Tür und öffnete sie.
    »Grace«, flüsterte Caroline vom Bett aus. Ich wandte mich ihr wieder zu. Das Licht von der Diele fiel auf ihr Gesicht und verlieh ihr ein geisterhaftes Aussehen.
    »Ja?«, flüsterte ich.
    »Ich glaube, ich liebe ihn.« Die Worte schnitten wie ein Messer durch die Luft.
    Ich schaffte es, »bis morgen« zu sagen, ging in mein Schlafzimmer, schloss die Tür und knipste das Licht aus. Ich stand im Dunkeln und kühlte mein Gesicht an der Fensterscheibe. So stand ich eine lange Zeit.

32
    Ein Anruf von Jane weckte mich früh am nächsten Morgen, was gut war, denn ich hatte vergessen, den Wecker zu stellen, und es war der erste Tag in meiner neuen Position. Wenn man schon zu spät zur Arbeit kam, war es nicht ratsam, den ersten Tag in einer neuen Position dafür zu wählen. Ich sollte besser ein oder zwei Wochen warten, bis ich wieder wie üblich zu spät kommen würde.
    Jane war so forsch und emsig, wie man es von ihr gewohnt war, und begrüßte mich auf ihre übliche Art: »Wie geht es dir? Gut? Gut. – Ich rufe an, um dich zu erinnern, dass Granny Mary heute Abend vom Flughafen abgeholt werden muss.«
    Granny Mary? Flughafen? In meinem Kopf klingelte nichts.
    »Du hast es doch nicht vergessen, oder?«
    Janes Tonfall brachte mein Gehirn in Schwung, und ich war imstande zu sagen: »Natürlich habe ich es nicht vergessen. Ich werde da sein.« Natürlich hatte ich es vergessen. Ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, wo Mary im Augenblick war. Irgendwo in Südamerika, glaubte ich. Oder war es vielleicht Südostasien? Die meisten anderen Omas machten organisierte Bustouren oder langweilige Kreuzfahrten, spielten die ganze Zeit Bridge und Bingo und schlurften auf Tanzflächen herum, im Takt zu Walzern, die komponiert wurden, um einen sanft ins Grab zu begleiten. Mary machte so etwas nicht. Sie reiste, und
zwar allein, ausgerüstet mit einem Rucksack und einem Wanderstab, an Orte, von denen die meisten anständigen Leute noch nie etwas gehört hatten.
    »Ich nehme an, dass du die Mail mit ihren Flugdaten noch hast und ihre ETA, oder?« Jane sprach noch immer. Sie liebte Abkürzungen, in diesem Fall schloss ich, dass es sich um die erwartete Ankunftszeit handelte. »Ich habe sie auch Clare gemailt, wenn du sie also verloren hast, bin ich sicher, dass Clare sie noch hat.«
    »Nein, nein, ich habe sie.« Genial. Ich konnte Clare später anrufen, um die Einzelheiten zu erfahren. Sie hatte die Mail sicherlich nicht gelöscht.
    »Natürlich würde ich es selbst machen, aber ich habe heute einen Elternabend wegen Thomas und Matthew.« Darüber schmunzelte ich. Um nichts in der Welt würde Jane einen Elternabend verpassen. Sie liebte Elternabende, denn die Lehrer liebten ihre Jungen fast so sehr, wie sie es tat.
    »Mach dir keine Gedanken, ich erledige das. Es macht mir nichts aus.« Und so war es auch. Mary brachte mich immer zum Lachen. Zudem hatte ich nichts anderes vor. Oder doch? Ich legte die Stirn in Falten und versuchte mich zu erinnern, ob Clare mich für irgendwelche Aktivitäten, wie sie einer Ersten Brautjungfer anstanden, eingespannt hatte. Ich hielt es für unwahrscheinlich. Sie hatte schon vor Monaten alles selbst erledigt.
    »In Ordnung also, danke dir«, sagte Jane. »Ich lege jetzt besser auf, denn ich bin in der Mitfahrzentrale dran, und die Scones sind noch nicht einmal aus dem Ofen. Bis bald. Tschüss. Tschüss. Tschüss. Tschüss.« Jane sagte am Telefon nie einfach nur Auf Wiedersehen. Sie sagte immer noch »Tschüss. Tschüss. Tschüss«, wenn ich schon aufgelegt hatte. Und was war das mit den Scones? Es war sieben Uhr
morgens. Oh Scheiße, sieben Uhr morgens und ich hatte noch nicht geduscht, und Caroline war schon im Badezimmer, und es bestand die minimale Chance, dass ich an diesem meinem ersten Tag in meiner neuen Position zu spät kam.
    Wie sich zeigte, kam ich nicht zu spät

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