Tag vor einem Jahr
eng zusammenarbeiten.« Der Chef redete noch immer, wobei er die Küchentür mit dem Zeh seines … oh mein Gott, war das eine Stiefelette? Mit Absatz? Verdammte Scheiße, es war eine. Schau weg, schau
weg, lache nicht, pruste nicht los, grinse nicht und, um Himmels willen, sag nichts. Was mich zum achten Punkt auf meiner To-do-Liste kommen lässt:
8. Entwickle eine hervorragende Beziehung zum Chef, um Karriereaussichten zu erhöhen.
Lachte ich über seine unsäglichen Stiefeletten, würde mich das nicht näher ans Ziel bringen. Ich hob mühsam den Kopf und zwang mich, ihm in die Augen zu sehen.
»Ich möchte, dass Sie ihn in gewissen Belangen unterweisen, nämlich denen der Haftpflichtabteilung, und dann können wir drei uns im Lauf der Woche treffen und die Präliminarien besprechen. In Ordnung?«
Ich sollte Bernard also in gewissen Belangen unterweisen? Mir war bewusst, dass ich das nicht hätte komisch finden sollen, aber ich tat es: Montagmorgen auf nüchternen Magen, das war das Problem.
Ich traute meiner Stimme nicht und nickte stumm, dann drehte ich mich halb um und ging weiter Richtung Kaffeemaschine, die noch immer im Hintergrund gurgelte.
»Okay, Grace, holen Sie sich einen Kaffee, wir sehen uns dann später.« Einen Moment lang trieb er sich noch an der Tür herum, dann drehte er sich um und ging, ließ mich mit der Kaffeemaschine allein. So gehörte es sich ja auch um – ich warf einen prüfenden Blick auf meine Uhr – 8 Uhr 24.
Von der Küche aus machte ich einen Abstecher zum Schrank mit den Büromaterialien und füllte meine Vorräte an Büroklammern (die rosafarbenen), gelben Post-its und einer Auswahl von Gelstiften in funkelndem Blau und Grün auf, die es irgendwie an Jennifers wachsamen Augen vorbeigeschafft hatten. Sie prüfte äußerst gewissenhaft die
Bestellungen, es sei denn sie litt gerade unter ihrem prämenstruellen Syndrom. In diesem Fall wäre es sogar völlig egal gewesen, wenn wir Ferraris und Champagner bestellt hätten. Wir verfolgten heimlich ihren Zyklus und wussten genau, wann wir zuschlagen mussten.
Derart ausgerüstet ging ich zu meinem Schreibtisch zurück, der sich sofort heimischer anfühlte, als ich meine farbenfrohe Beute ablud und etwas Kaffee darauf verschüttete. Noch immer war keiner da, also loggte ich mich in meinen E-Mail-Account ein. Wie üblich waren Massen von Mails gekommen, die meisten betrafen die Arbeit, und ich musste ewig lange hinunterscrollen, bis ich etwas Interessantes fand. Eine von Laura. Betreff: Vertraulich!! Ich war eben im Begriff, sie zu lesen, als Laura an meinem Schreitisch auftauchte.
»Was zum Teufel machst du so früh hier?«, wollte sie wissen.
»Es ist der erste Tag in meinem neuen Job .«
»Oh ja, dein neuer Job. Das hatte ich vergessen.«
»Welche Entschuldigung hast du dafür?«
»Konnte nicht schlafen.« Sie war unaufmerksam und bewegte ihren Kopf unruhig nach links und rechts.
Ich erlöste sie aus ihrem Elend: »Er ist noch nicht da. Was ist denn passiert? Ich lese gerade deine vertrauliche E-Mail.«
Mit Lauras Lächeln hätte man die Lichter am Weihnachtsbaum auf der O’Connell Street anzünden können.
»Es geht um mich und Peter. Wir haben das Wochenende miteinander verbracht. Wieder. Wir sind zusammen. Das bleibt aber unter uns.« Ihr Lächeln war verschwunden, und das Büro wurde dunkler.
»Das ist doch gut, oder? Genau das wolltest du doch, nicht wahr?« Mein Tonfall war weich, ermutigend. Es war
eine schwierige Zeit für Laura. Sie war wie ein Unfallopfer, das wieder lernen musste zu gehen. Es lernen wollte, aber nicht sicher war, ob sie es konnte.
»Schau mich an, Grace. Schau, wie ich aussehe.«
Und sie sah anders aus. Irgendwie erfüllter. Mit so einem Leuchten. Und müde, als hätte sie tagelang nicht geschlafen, was wahrscheinlich auch der Fall war.
»Ich kann nicht aufhören zu lächeln.« Sie versuchte ihre nach oben gebogenen Mundwinkel zu dem üblichen Schmollmund herabzuziehen. »Und ich bin nervös.« Sie zeigte auf ihren Hals, an dem ein Muskel zuckte.
Ich tätschelte ihre Hand und lächelte sie an. »Laura, diese Symptome sind normal.«
»Sind sie das?« Sie sah mich an, als wäre ich eine Autorität auf diesem Gebiet.
Ich öffnete ein Notizbuch und nahm einen meiner neuen Gelstifte zur Hand. »Du kannst nicht schlafen, richtig?«
»Ja.«
Ich beugte meinen Kopf und kritzelte etwas auf die Seite. »Wie steht es um deinen Appetit?«
»Weg.«
Weiteres Gekritzel. »Was ist mit
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