Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
Vom Netzwerk:
zusammenhängenden Gedankengängen, die nichts mit dem betreffenden Gegenstand zu tun haben?«
    »Keine.«
    Noch mehr wildes Kritzeln. »Arbeit?«
    »Habe seit über einer Woche keine mehr erledigt.«
    »Sport?«
    »Du meinst außer …« Sie schüttelte traurig den Kopf. Laura liebte es, Sport zu machen.
    »Wie oft hast du dein Make-up und deine Haare überprüft?« Ich schaute zu ihr hoch, mein Stift schwebte in der Luft.

    »Pünktlich zu jeder vollen Stunde.«
    »Okay, jetzt noch eine ganz wichtige Frage«, sagte ich, während ich diensteifrig in mein Notizbuch kritzelte. »Wann hast du das letzte Mal BH und Höschen getragen, die nicht zusammenpassten?« Sie schüttelte langsam den Kopf.
    »Das ist über eine Woche her. Ach du Schreck.«
    »Ja, Laura, damit ist es amtlich.« Ich addierte die Häkchen auf der Seite. »Du. Bist. Verliebt.«
    »O mein Gott.« Sie sank erschöpft auf den Stuhl, der vor meinem Schreibtisch stand. So wie sie aussah, hätte ich gesagt, dass sie seit etwa sechs Uhr morgens auf war, ihre Haare geglättet, ihr Höschen gebügelt und möglicherweise sogar eingekauft hatte, denn das Kleid, das sie trug, sah verdächtig neu aus.
    »Lass es einfach zu, Laura.« Ich beugte mich über den Schreibtisch, um es ihr zuzuflüstern.
    »Lass es zu?« Sie schaute mich an, als hätte ich eben »Leber ist lecker« gesagt. Laura hatte zum Thema Leber eine dezidierte Meinung: »Es ist kein Essen. Es ist ein inneres Organ, Herrgott nochmal!« Das Thema Leber war für sie ein richtiger Streitpunkt.
    »Es wird nicht so sein wie beim letzten Mal. Nutz die Chance. Riskiere es. Du bist akut gefährdet, glücklich zu sein. Lass der Sache einfach freien Lauf.«
    Laura seufzte schwer. »Ich gehe besser in die Buchhaltung hoch und arbeite etwas. Ansonsten bekommt diesen Monat keiner seinen Lohn.«
    »Also dann. Bis später. Wir wäre es mit Mittagessen?«
    »Mittagessen?« Laura wirkte verwirrt.
    »Ja, du weißt schon, die Mahlzeit zwischen Frühstück und Abendessen. Die mit Paninis und Smoothies und Bagels und Pommes, Letztere allerdings nur, wenn Zahltag
oder Freitag oder einer dieser PMS-Tage ist oder es regnet.« Wenn man diese Kriterien anwandte, müsste ich fast jeden Tag Pommes essen, allerdings nicht diese Woche. Diese Woche würde ich Salat essen und es lieben – mal erlich, wie schlimm konnte es schon sein?
    »Oh. Mittagessen, ja, sicher.« Laura entfernte sich von meinem Schreibtisch wie ein Kind, das sich im Zoo verirrt hat.
    Zurück zu meinen E-Mails. Überraschenderweise war eine von Shane dabei. Er hatte sie vergangene Nacht nach Mitternacht geschickt:
    Hey, Baby, fand unser Wochenende super. Vermisse dich bereits wie verrückt. Habe beschlossen, nächste Woche zur Hochzeit zu kommen. Ich weiß, du willst unbedingt, dass ich das mache, sag also nicht, dass ich nie etwas für dich tue. Werde am Samstagmorgen fliegen und hole dich von der Wohnung ab. Bis dann.
    Erst als ich mit dem Lesen dieser Mail fertig war, fiel mir auf, dass ich fünf meiner einhundert rosafarbenen Büroklammern geradegebogen und sie damit für alles außer den Müll nutzlos gemacht hatte. Unter meinem Schreibtisch fand ich einen leeren Abfalleimer, in den ich sie hineinwarf. Es ertönten fünf scharfe, kurze »Pings« auf dem Metallboden, als sie aufkamen. Obendrein gab ich dem Abfalleimer einen Fußtritt. Einen festen. Das machte größeren Lärm, und Niall, der EDV-Abteilungsleiter reckte den Kopf aus seiner Bürotür und schaute zu mir her.
    »Alles in Ordnung, Grace? Gewöhnen Sie sich gut ein?«
    Niall war das, was man wohl einen Familienmenschen nannte. Die Wände seines Büros waren zugepflastert mit schief hängenden Fotos von seiner Frau, seinen Kindern
(vier), seinem Hund (Mohammed Ali), seinen Katzen (zwei; Grant und Phil) und seinem Kaninchen, obwohl es vor Jahren an gebrochenem Herzen gestorben war, nachdem die Kaninchendame von nebenan eingeschläfert worden war, weil sie die Beine der Leute rammeln wollte, sobald sie den Garten hinter dem Haus betraten. Vor allem, wenn sie hohe Stiefel anhatten. Und insbesondere, wenn sie schwarze anhatten. Schwarz war die Farbe von Ambrose, Nialls Kaninchen.
    Niall brachte tagtäglich sein Mittagessen mit – in einer Plastikdose, auf deren Deckel sein Name stand. An manchen Tagen hatte er zusammen mit seinem üblichen Salamisandwich ein Törtchen in der Dose. Oder ein Stück Obst. Einmal brachte er ein Rosinenbrötchen mit, auf dem mit rosafarbenem Zuckerguss sein Name stand. An

Weitere Kostenlose Bücher