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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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Münder und Schweigen – ließen es endlich in mein Bewusstsein vordringen. Caroline hatte sich in Bernard O’Malley verliebt. Und wie hätte ich ihr das verübeln können? Der einzige Mensch, dem ich etwas verübeln konnte, war ich selbst, und auch dazu war es nun zu spät.

33
    Diese Warterei auf Flughäfen hasste ich. Es erinnerte mich an Spanien.
    Ich nahm die Rolltreppe nach unten zur Ankunftshalle. Ständig fühlte ich mich, als würde ich mich in mehreren Filmen gleichzeitig befinden. Einige Mainstream, einige Independents, manche einfach nur total bizarr – oder französisch / osteuropäisch, wem das lieber ist. Ich kaufte mir an dem kleinen Imbiss einen cremigen Cappuccino und machte es mir in einem Plastikstuhl bequem, um das Geschehen zu beobachten.
    Da war er. Der Mann mit dem riesigen Blumenstrauß. Es gibt immer einen Mann mit Blumen. Und wenn man ganz genau hinschaut, wird man wenigstens eine Rasurschnittwunde, vorzugsweise an der empfindlichen Halsregion entdecken. Rasur unter Druck. Das empfiehlt sich einfach nicht. Er war einigermaßen attraktiv, hatte aber unglücklicherweise schlecht proportionierte Gliedmaßen: seine Arme waren zu lang für seinen Körper und hingen fast bis zu den Knien hinunter, sie wussten nicht, was sie mit sich anfangen sollten.
    Ein Mädchen stand so nah an der Absperrung, wie es nur möglich war, ohne sie umzuwerfen. Sie schien den Atem anzuhalten. Ihr T-Shirt, eng anliegend und rosafarben, trug die Aufschrift »Willkommen zu Hause, Baby«, und zwar in GROSSBUCHSTABEN und mit vielen Ausrufezeichen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Hatte sie den Namen der Person,
die sie abholen wollte, vergessen, oder wollte sie sich nur nach allen Seiten absichern, falls jemand Besseres durch die Türen käme?
    Ein Mann, der aussah wie Patrick, wurde von Bergen von Taschen, die über seine beiden Schultern hingen, niedergedrückt. Er atmete mühsam unter dem Gewicht, blieb plötzlich stehen, und eine Gruppe spanischer Studenten landete in seinem Rücken, sodass sie ihn fast umgerannt hätten. Seine Augen überflogen die wartende Menge. Ich erhob mich von meinem Sitz und machte zwei Schritte auf ihn zu, bevor ich stehen blieb. Ein erkennendes Lächeln huschte über sein Gesicht, und er verschwand in der Menge, die Schar Studenten in seinem Kielwasser zurücklassend. Ich reckte den Hals, um zu sehen, wen er traf, aber die Menge stand dicht zusammengedrängt. Also begab ich mich zurück und ließ mich wieder auf meinem Sitz nieder. Nur dass er nicht mehr frei war – ich saß auf dem Schoß eines Jugendlichen, der eifrig einen Pickel auf seinem Kinn ausdrückte. Ich kreischte und sprang auf.
    »Oh Gott, Entschuldigung, ich habe dich nicht gesehen. Ist alles in Ordnung mit dir?«, wollte ich wissen.
    Der Pickel hatte sich unter dem Druck seiner Finger zu etwas pulsierendem Dunkelroten entwickelt und brach problemlos auf, wobei er auf seinem Fingernagel einen strahlend weißen Eiterstreifen hinterließ. Er sah mich mit einer unglaublichen Unschuld an. Sein Blick hielt meinem stand, er lächelte.
    »Kein Problem, Madam.«
    Madam?? Herrje, für wie alt hielt er mich denn? Am liebsten hätte ich »Ich bin erst neunundzwanzig, herzlichen Dank, junger Mann« gesagt. Stattdessen drehte ich mich um und ging zum Kiosk, um mir ein Wasser zu holen (seit meiner Erfahrung beim Mittagessen war ich auf den Geschmack
gekommen). Bevor ich am Kiosk war, hörte ich es. Das Jauchzen, das Kreischen, diese geradezu altmodische Wiedersehensfreude. Noch ehe ich mich umdrehte, wusste ich, um wen es sich handelte. Ja, der Mann mit den Blumen. Er wirbelte ein zerbrechliches Wesen durch die Empfangshalle, dessen Haare im Wind aufflogen. Die Blumen waren auf dem Boden abgelegt worden, ihre Farben waren im Schatten dieser öffentlichen Zurschaustellung von Leidenschaft erblasst. Die beiden hörten auf herumzuwirbeln und küssten sich auf langsame, verträumte Art, seine Hände griffen in ihr Haar. Ich war nicht die Einzige, die in ihre Richtung schaute. Happy End. Das war es, was wir alle dachten. Wir hätten auch gerne eins, bitte schön. Dazu ein Eimer fettigstes, salzigstes Popcorn mit echter Butter und eine Packung M&Ms, die man oben wieder verschließen kann, allerdings nur, damit man über einen solchen Unsinn lachen und den Kopf schütteln kann; eine Packung M&Ms wiederverschließen … wer macht denn so etwas?
    Granny Mary stellte sich vor mich hin und lächelte. Woher wusste sie, wo ich zu finden war, und warum hatte ich

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