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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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alles. Ansonsten sprach ich, und er nickte oder schüttelte den Kopf. Je nachdem.« Ich sah Bernard an. Die Art, wie er mit den Schultern zuckte, wenn er lachte, liebte ich.
    »Portishead?« Bernard war verwirrt.
    »Ja, ich fragte ihn in einem gewissen – ziemlich verzweifelten – Stadium, welche Musik er gern hörte. Und wo er im Urlaub war. Es war wie beim Friseur, ehrlich. Immerhin hat er das Abendessen bezahlt«, erinnerte ich mich. »Er hat darauf bestanden.« Bernard nickte.
    »Oh ja, er ist sehr großzügig, das ist er. Ruhig, aber großzügig.« Es ging mit uns beiden durch, Bernard trommelte zu seinen Eselschreien auf den Tisch.
    »So«, sagte Bernard, als er sich wieder beruhigt hatte, »und dann kam also Shane?«
    »Ja«, erwiderte ich. Ich hob meine Handtasche vom Boden auf und tat so, als würde ich etwas darin suchen. »Vielleicht können wir vier irgendwann zusammen ausgehen.«
    »Wir vier?« Bernard zog den Stift hinter dem Ohr vor und klickte mit dem Daumen auf das Ende des Kugelschreibers, wodurch die Feder zum Vorschein kam und verschwand, immer und immer wieder.
    »Ja, du und Caroline. Ich und Shane.« Ich nahm eine Schachtel Zündhölzer aus meiner Tasche und schüttelte sie.
    »Oh«, war alles, was er dazu sagte. Ich hob nochmals meine Handtasche vom Boden auf und stand, die
Streichholzschachtel noch immer in der Hand, von meinem Schreibtisch auf.
    »Ich gehe eine rauchen«, erklärte ich Bernard, der mit gesenktem Kopf dasaß.
    »Okay, bis später.« Er sah nicht auf, und ich sah nicht zurück. Ich wusste, dass ich das Richtige getan hatte. Es fühlte sich nur falsch an.

36
    Offensichtlich hat man nicht viel zu tun, wenn man Erste Brautjungfer für jemanden wie Clare ist. Selbst Clare war unruhig und unkonzentriert, als ich später bei ihr vorbeischaute.
    »Du kannst unmöglich alles allein erledigt haben.« Ich war erschrocken über ihre germanische Tüchtigkeit.
    »Das habe ich aber verdammt nochmal getan«, stöhnte sie, und sah dabei äußerst gelangweilt aus. »Und ich habe diese Scheißwoche Urlaub genommen«, fuhr sie fort, »es fühlt sich an wie Freitag, allerdings ohne die Freitagshochstimmung, dabei ist es erst Dienstag.« Sie warf sich mit einem Ächzen gegen die Rückwand der Couch.
    »Guck dir an, wie es hier aussieht.« Ich sah mich in dem tadellosen Wohnzimmer um. Die Kissen waren aufgeschüttelt, die Böden poliert, der Kamin ausgefegt und abgewaschen. Selbst die Bücher auf dem Bücherregal waren geordnet, und zwar nach absteigender Höhe und mit Regalbrettern zwischen den einzelnen Gattungen, alle Rücken schauten nach außen.
    »Von was sprichst du? Es ist alles perfekt.«
    »Ich weiß.« Clare schrie es fast heraus. »Nicht einmal das verdammte Haus kann ich putzen, weil ich das schon am Sonntag erledigt habe und es, obwohl Dienstag ist, immer noch sauber und aufgeräumt ist. Auch wenn es mir wenigstens Arbeit verschaffen würde, kann ich mich nicht einmal dazu durchringen, es in Unordnung zu bringen, weil
ich so wahnsinnig pingelig bin.« Während dieses Monologs schwoll Clares Stimme wie eine aufsteigende Tonleiter an, bis am Ende nur noch die Hunde auf der Straße entschlüsseln konnten, was sie sagte. Trotzdem bekam ich im Großen und Ganzen das Wichtigste mit.
    Vorhochzeitliches Herzflattern. Ich hatte davon gehört, es aber nie aus erster Hand mitbekommen. Laura hatte dieses Stadium nie erreicht. Gott sei Dank. Wenn es schon meine sanftmütige Schwester Clare in ein solch zitterndes Bündel verwandelte, wäre Laura zur Furie geworden. Aber was konnte man dagegen tun?
    »Was ist mit dem Hochzeitskleid?«, wollte ich wissen. »Das muss doch bestimmt abgeholt werden.«
    »Erledigt.«
    »Keine Änderungen daran in letzter Minute?«
    »Keine.«
    Dann kam mir eine Idee. »Was ist mit meinem Kleid? Wann soll ich es holen?«
    »Ich habe es bereits geholt.«
    »Die Ringe?«
    »Sind da.«
    »Was ist mit dem Fotografen und den Blumen und dem Kuchen? Hast du …«
    »Alles bestätigt. Ich habe alles erledigt. Jede einzelne verfluchte Sache.« Jetzt schwankte Clares Stimme, Tränen sammelten sich wie Sturmwolken am Horizont. Plötzlich sprang sie von der Couch.
    »Hier, schau her. Hier ist die Checkliste.« Sie riss einen Plastikordner vom Tisch und warf ihn mir wie ein Frisbee zu. Ich fing ihn stolz mit einer Hand auf.
    Die Checkliste erstreckte sich über fünf Seiten, jeder Posten war ordentlich abgehakt. Es war hoffnungslos. Da half nur noch eins.

    »Clare?«
    »Was?«

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