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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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ihre eigene Alltagspsychologie, lachte sie auf.
    »Du musst dir keine Sorgen um sie machen. Ich kümmere mich um sie.«
    Und das tat sie.
    Manchmal dachte ich darüber nach, alles niederzuschreiben. Eine Liste zu machen und von da aus weiterzumachen. Aber irgendwie war immer etwas zu tun, etwas Leichtes, Entspannendes und Planvolles, wie etwa das Schälen dicker Rhabarberstängel für einen Kuchen oder zum Laden an der Ecke gehen, um eine Flasche Brandy zu kaufen (Mary beharrte darauf, dass er für medizinische Zwecke sei).
    Schließlich schrieb ich Briefe, die ich nie abschickte: einen an Clare, einen an meine Mutter, einen an Caroline, einen an Shane und einen an Bernard. In der dunklen Wärme von Marys Küche, während ich dem beharrlichen Ticken der Uhr lauschte, die hier langsamer zu gehen schien, war es möglich, das aufzuschreiben, was ich sagen wollte, und zwar ohne jegliches Drama, ohne jegliche Bitterkeit, ohne jegliche Angst vor Konsequenzen.
    Clares Brief war einfach. Ich schrieb: »Es tut mir leid.« Was hätte ich auch anderes sagen können? Am Ende wurden es zwar vier Seiten mit »Es tut mir leid«, aber genau so war es eben. Es tat mir leid. Richtig leid. Es war eine unglückliche Abfolge von Ereignissen gewesen, von denen einige sich meiner Kontrolle entzogen hatten. Das schrieb ich nicht, aber es kam mir zu Bewusstsein, während ich den Brief verfasste. Ich schrieb: »Es tut mir leid«, und ich meinte es so – es tat mir leid für alles.
    Ich schrieb: »Liebe Mam«, und kaute dann so lange auf meinem Füller herum, bis er oben kleine Bissspuren hatte.
    Ich legte das Blatt zur Seite und machte mit dem Brief an Shane weiter. Das war einfacher.

    Du warst nett zu mir, als Patrick starb. Du hattest Mitleid. Ich war in einer so schrecklichen Verfassung. Aber das reicht nicht. Dir nicht und mir nicht. Lass uns ehrlich zueinander sein. Wäre Patrick nicht gewesen, dann wäre das alles schon vor langer Zeit zu Ende gegangen. Du warst zu nett, um zu sagen, dass es vorbei ist, und ich hatte zu große Angst davor.
    Wir haben nie darüber gesprochen. Über Patrick und was mit ihm geschah. Es war wie eine Barriere, die wir nicht nehmen konnten.
    Die Sache mit Bernard? Nun, darauf bin ich nicht stolz, obwohl es mir auch nicht leidtut, dass es geschehen ist. Es hat mich gezwungen, Dinge zu erkennen. Wichtige Dinge. Wie zum Beispiel die Sache zwischen dir und mir. Du warst mit mir nicht glücklich. Wie hättest du es auch sein können? Ich war ja selbst nicht glücklich mit mir. Lange Zeit nicht. Das will ich ändern. Ich will glücklich sein. Ich will, dass du glücklich bist. Mir ist klar, dass in diesem Brief eine Menge »ich will« vorkommt, aber ich versuche, so aufrichtig zu sein wie möglich. Eines will ich unbedingt: Ich will, dass wir Freunde sind. Vielleicht können wir das im Augenblick nicht sein, vielleicht auch nie, aber das ist mein Wunsch, und das hier ist mein Brief, also kann ich mir verdammt nochmal alles wünschen, was ich will.
    Shanes Brief war nur eine Seite lang, und meine Tränen verwischten die Tinte ein wenig, aber ich hatte ihn geschrieben und fühlte mich danach besser. Ich schob ihn in einen Umschlag, verschloss diesen, ohne ihn noch einmal zu lesen, schrieb seinen Namen darauf und legte ihn zur Seite.
    Bernards Brief begann mit einer sachlichen Feststellung:
    Komischerweise habe ich mich nicht gleich in dich verliebt, wie man vielleicht annehmen würde angesichts der dramatischen Ereignisse der letzten Zeit. Ich war gefangen in mir selbst, in meinem beschissenen kleinen Leben und in meiner wertlosen Beziehung zu Shane, die so sehr sein Fehler wie meiner war. Aber ich habe mich tatsächlich in dich verliebt. Ich habe es nur erst erkannt, als es zu spät war. Es gibt viele verschiedene Gründe, warum ich mich in dich verliebt habe. Hier ein paar davon:
    1. Du schaust mich wirklich an, wenn du mit mir sprichst, so als könntest du mich sehen. Ich meine, wirklich sehen. Bis hinein in meine großen, dicken Knochen.
    2. Und wenn ich mit dir zusammen bin, fühle ich mich nicht dick (siehe Punkt 1). Ich fühle mich zierlich und klein, als hätte ich richtig dünne Knochen, einen festen kleinen Po, winzige Füße und eine schmale Taille. Dieses Gefühl gibst du mir. Ich habe davon gekostet, und es schmeckt herrlich, wie ein Schokoladenmilchshake.
    3. Du sagst nur dann etwas, wenn du tatsächlich etwas zu sagen hast. Weißt du, wie angenehm das ist? Und wie ungewöhnlich?
    4. Du hast gesagt,

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