Tag vor einem Jahr
herüber.
»Bestens.« Ich stand auf und wischte mir einen verirrten Tropfen der 5-Minuten-Terrine von meinem Rock. Ich musste weg von hier und beschloss bei Clare vorbeizuschauen. Sie lebte mit Richard in Rathgar. Ich würde zu Fuß hingehen und einen klaren Kopf bekommen.
»Caroline, ich gehe kurz raus«, rief ich in ihr Schlafzimmer.
»Du kannst nicht rausgehen, ich brauche dich«, quengelte sie. Bei all den Kleidern, Taschen und Schuhen, die auf dem Boden verstreut lagen, hatte ich Probleme, ihr Zimmer zu betreten. Caroline stand mit dem Rücken zum Spiegel auf ihrem Bett, den Kopf total verdreht, um zu sehen, ob ihr Po in der Jeans, die sie anhatte, groß aussah. Er tat es nicht.
»Oh, dein Blind Date. Das hatte ich ganz vergessen.«
»Was meinst du?«, fragte sie. Es waren Low-cut-Jeans, der Bund saß locker auf ihren schmalen Hüften. Ein Fuß steckte in einer blutroten Pantolette, die mit Glassteinchen verziert war. In ihnen könnte man Dorothy im Zauberer
von Oz spielen, dreimal die Absätze aneinanderklacken und sagen: »Nirgends ist es schöner als zu Hause«, und schon wäre man im Handumdrehen zurück bei Tante Em in Kansas.
Der andere Fuß steckte in einem streng aussehenden, spitz zulaufenden Stiefel mit schmalem Absatz. Sie beugte sich hinunter, hob einen Rock auf und hielt ihn sich an die Taille. Er war sehr hübsch, rundherum gerafft und mit einem Schneckenmuster.
»Die Jeans oder der Rock?« Sie fragte das mit der Ernsthaftigkeit, mit der ein amerikanischer Präsident die Frage »Nuklearsprengkopf oder Atombombe?« stellen würde.
»Der Rock ist sehr schön, aber eher was für ein drittes Date.«
»Das, bei dem’s zur Sache geht?«, fragte sie ungeduldig.
»Genau das«, erwiderte ich mit der ganzen Weisheit Solomons. Ich musste über Leute wie Caroline lächeln – natürlich in mich hinein. Sie hätte einen schwarzen Plastikmüllsack tragen können und noch immer fantastisch ausgesehen.
»Also die Jeans?« Sie warf den Rock auf das Bett zurück.
»Ja, die Jeans. Zusammen mit den Dorothy-Pantoletten und der lächerlich kleinen Cinderella-Tasche.« In dieser konnte man kaum einen Lillet verstauen, aber sie passte perfekt zu den Schuhen. Man darf die Bedeutung von Accessoires nicht unterschätzen. Meine Arbeit hier war beendet.
»Bis später. Viel Spaß bei deiner Verabredung und denke daran, dass du dir, wo auch immer du hingehst, die Lage der Notausgänge merkst. Mit diesen Schuhen bringst du dich um, wenn du aus Toilettenfenstern hinauskletterst.« Ich drehte mich um, um zu gehen.
»Warte!«, rief Caroline panisch. »Was ist mit dem Oberteil?«
Ich drehte mich wieder zurück. »Nun, ich würde dir raten, eines zu tragen. Ich meine, es ist ein erstes Date, und da sollte ein Mindestmaß an Schicklichkeit gewahrt werden.«
»Grace, biiiiitte.«
»Okay, okay. Die schokoladenbraune Designer-Bluse mit den Dreiviertelärmeln und den praktischen Knöpfen vorne. Du kannst sie bis zum Kinn schließen oder ein paar aufmachen, je nachdem, wie die Verabredung läuft.« Caroline schaute zweifelnd. Ich drehte mich um, um zu gehen, und fiel über einen Berg von Taschen, die sich am Fußende des Bettes türmten.
»Mein Gott, Cats, du nimmst diesen Verabredungskram aber ziemlich ernst.« Vorsichtig stakste ich in Richtung Tür.
»Ich bin zu einem Entschluss gekommen.« Die Art und Weise, wie sie es sagte, ließ mich hellhörig werden. Ich blieb stehen und drehte mich zu ihr um.
»Zu welchem?«
»Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass dieses Date das Date schlechthin wird. Selbst wenn er ein einsfünfzig großes Nichts ist und am Wochenende mit alten Eisenbahnen spielt. Es gibt nur eine bestimmte Anzahl Dates, die ein Mädchen absolvieren kann, und ich bin fast am Ende meines Programms.« Ich sah sie belustigt an. Wenn Caroline beschlossen hatte, dass dieser Junge der Richtige war, dann würde er genau das sein, daran hatte ich nicht den geringsten Zweifel. Caroline war eine Frau, die ihren Willen durchsetzte und zwar vor allem, weil sie hart daran arbeitete und eine Niederlage auf eine Art ablehnte, wie andere Leute eine zweite Portion Nachtisch ablehnten.
»Hochfrisiert oder offen?« Sie griff sich in die Haare.
»Offen«, erwiderte ich, schon halb aus der Tür, »und geh unbedingt sparsam mit dem Make-up um. Denk daran: Solltest du ein ›Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage‹ mit diesem Knaben schaffen, könnte die Möglichkeit bestehen, dass er dich in irgendeinem
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