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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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seltene und wertvolle Eigenschaft.
    Das Telefon klingelte, und wir fuhren beide hoch. Es war Richard. Clare plauderte unbeschwert mit ihm, und die angespannte Atmosphäre der letzten halben Stunde verzog sich wie Rauch durch ein offenes Fenster. Ich versuchte, Clares Teil der Unterhaltung, den ich zwangsläufig mitbekam, auszublenden, scheiterte aber und musste es über mich ergehen lassen.
    »Gute Nacht, Schatz. Wir sehen uns morgen Abend.«
    »Ich auch. Das Bett ist zu groß.«
    »Gute Nacht. Du legst zuerst auf.«
    »Nein, du legst auf.«
    »Nein, du.«
    »Ich liebe dich auch.«
    »Nein, du legst …«
    Ich konnte es nicht mehr länger ertragen und verließ das Zimmer. Zurzeit war selbst ein bisschen vom Glück eines anderen zu viel für mich. Ich freute mich darauf, am Wochenende Shane zu sehen, aber der nervtötende kleine
Mann in meiner rechten Gehirnhälfte (der Vernunftseite) streckte ständig seinen Kopf aus meinen Hirnwindungen und erinnerte mich daran, dass Shane in Wirklichkeit nur wegen seiner Arbeit nach Dublin kam, während ich auf der Tagesordnung unter »Sonstiges« stand.
    Nachdem ich mir ausgerechnet hatte, dass es jetzt sicher sein müsste, kehrte ich ins Wohnzimmer zurück. Clare hatte sich fest in der einen Sofaecke zusammengerollt. Ihre Finger spielten mit den Haarspitzen, spalteten die Enden, so als würde sie nicht in weniger als zwei Wochen heiraten.
    »Habt ihr die Sitzordnung erstellt?«, fragte ich in dem Versuch, das Thema zu wechseln. Es war eigentlich eine rhetorische Frage.
    »Ja, schon vor Ewigkeiten.« Clare hörte auf, mit ihren Haaren zu spielen und lief los, um den Hochzeitsordner zu holen. Dieses Ding musste man gesehen haben. Die Gelben Seiten sahen dagegen mager aus. Ein wunderschön eingebundener Lederordner mit mehrfarbigen Registerkarten für die verschiedenen Themen, die Clares Meinung nach wichtig waren. (Ich meine, hallo, da gab es einen Abschnitt für »Frühstück« mit einer Zusammenstellung dessen, was die Braut und ihre Familie am Hochzeitsmorgen essen würden – für meinen Geschmack viel zu viel Obst …)
    »Ich frage mich nur eins …«, sagte sie zögerlich.
    »Ja?«
    »Na ja, es ist nur so, du sitzt oben am Haupttisch, und wohin, findest du, soll ich dann Shane setzen?« Am Klang ihrer Stimme konnte ich erkennen, dass sie sich gar nicht sicher war, ob Shane überhaupt zur Hochzeit kommen würde. Um ehrlich zu sein, ich war mir auch nicht sicher. Er hatte sich noch nicht festgelegt. Ich war entschlossen, ihn am Wochenende in diesem Punkt festzunageln. Bis dahin lebte ich in der Hoffnung darauf.

    »Setz ihn an den Männertisch. Sorge dafür, dass unter ihnen keine schwulen Jungs sind, denn sonst fallen die alle über ihn her. Sollten Frauen anwesend sein, dann sorge dafür, dass es solche mit Missbildungen oder zumindest abgrundtief hässliche sind oder welche, die im Begriff stehen, vom Präsidenten einen Scheck zu erhalten, weil sie es geschafft haben, hundert Jahre alt zu werden.« Ich lachte, aber wir wussten beide, dass es halb ernst gemeint war. Clare äußerte sich nicht dazu. Sie fragte nie nach meiner fragilen Beziehung, die im Vergleich zu ihrer tiefen Seelenverwandschaft mit Richard schlecht wegkam. Sie hörte zu und bot einfühlsam Unterstützung an.
    Clare zog ihre Liste zurate, um zu sehen, wo sie Shane auf der Sitzordnung unterbringen konnte.
    »Ich habe einen Tisch mit Paaren, an dem noch zwei Plätze frei sind. Soll ich Shane den einen und Mary den anderen geben?« Sie hatte ihre Brille auf und einen Stift hinter dem Ohr klemmen und spielte mit großer Ernsthaftigkeit die Rolle der Hochzeitsplanerin.
    Mary war die Mutter meiner Mutter. Sie erlaubte uns nicht, sie »Granny« oder »Oma« zu nennen oder bei irgendeinem anderen Namen, der den Beigeschmack von Gefühlsduselei hatte. Also nannten wir sie Mary. Sie war groß, wie meine Mutter, aber das Alter hatte sie ein wenig gekrümmt. Ihre Größe war allerdings das Einzige, was an Mary schrumpfte. Ihr Verstand war so scharf wie ihre Zunge. Sie würde die perfekte Hochzeitsbegleitung für Shane abgeben.
    »Mach das, sie ist die Richtige. Das wird ihn bändigen.«
    Clare beugte den Kopf über das Hochzeitsverzeichnis und schrieb. Ich lächelte boshaft. Als ich mich zum Gehen anschickte, erwähnte sie noch einmal Patrick.
    »Weißt du, Grace, nur weil Mam sein Zimmer ausräumt,
heißt das noch nicht, das wir ihn jetzt alle vergessen oder so etwas. Es sind nur Gegenstände.«
    Ich nickte und

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