Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
mal«, sagte sie.
»Ja …«, sagte Ekholm und starrte den gedeckten Tisch an, der ihm erst jetzt bewusst zu werden schien. »Natürlich …«, sagte er und setzte sich neben seine Frau.
»Ich muss dann bald los«, sagte sie. »Wir haben mittags den Termin bei YLE , wegen des Corporate-Identity-Designs für die TV -Talkshow.«
»Ja …«, sagte Ekholm.
»Und Sven hat angerufen, Sven Lövgren, er fragt, ob du den Termin in Merenkylä vergessen hast«, sagte sie.
»Was …«, sagte Ekholm.
»Sven. Er hat auf den AB gesprochen. Ihr habt wohl heute früh eine Grundstücksbesichtigung in Merenkylä.«
»Ach so. Ja. Ja, stimmt … ich muss … ihn anrufen …«
»Und Anna …« Sie brach ab.
»Was?«, fragte Ekholm.
»Nichts«, sagte sie.
»Was wolltest du sagen, Kirsti?«
»Nichts. Etwas Unsinniges. Über Anna.«
»Kirsti …«
»Über eine Schulprüfung, die sie hat. Heute.«
Sie sahen sich schweigend an. Nach einer Weile wendete sich Kirsti Ekholm ab, stand auf und ging zum Telefon. Sie wählte eine Nummer, wartete, dann begann sie zu sprechen. »Mariella, hallo, Kirsti hier. Ich werde heute nicht kommen können. Ja. Nein. Heute nicht, morgen nicht … ich weiß nicht, wann.«
Offensichtlich sprach am anderen Ende der Leitung für einige Sekunden die Kollegin, aber Kirsti Ekholm unterbrach sie. »Mariella … es ist etwas passiert, gestern Abend … Anna … also, unsere Anna, die du ja kennst …«
Wieder trat eine Pause ein, aber Joentaa spürte, dass niemand sprach, auch die Kollegin am anderen Ende der Leitung nicht. Kirsti Ekholm ließ das Telefon sinken und sah durch das Fenster in den sonnigen Garten. Nach einer Weile unterbrach sie wortlos die Verbindung, legte das Telefon zurück in die Ladestation und kehrte zum Tisch zurück.
»Das geht nicht«, sagte sie leise.
Sie begann abzuräumen, zuerst den unberührten Teller, der vor einem unbesetzten Stuhl stand. Dann alles andere. Lasse Ekholm saß wie erstarrt, und Joentaa stand auf und begann, beim Abräumen zu helfen. Er erinnerte sich an den Tag nach Sannas Tod. Er hatte ähnlich gehandelt und vermutlich ähnlich empfunden.
Er hatte Sanna sterben sehen, in der Nacht, aber nicht begriffen, dass es wirklich passiert war. Am Morgen danach hatte er auf dem Steg am See gelegen und war eingeschlafen, in einem Moment, in dem er geglaubt hatte, nie mehr schlafen zu können. Und dann war er zur Arbeit gegangen, hatte normale Dinge getan, normale Worte gewechselt, obwohl nichts mehr normal gewesen war, und dann war er in eine Ermittlung abgeglitten, die eine Art Linderung gebracht hatte, weil sie sich ebenso surreal angefühlt hatte wie der Gedanke an Sannas Tod.
»Ich denke …«, sagte Lasse Ekholm. »Ich denke … ich sollte mal Sven anrufen …«
»Ich kann das machen, wenn Sie wollen«, sagte Joentaa.
»Ja? Ja … das wäre gut … ich gebe Ihnen die Nummer … sagen Sie einfach, was passiert ist … und dass ich heute nicht kommen werde und wir alles Weitere … bei Gelegenheit …«
Joentaa nickte und nahm sein Telefon aus der Tasche, tippte die Nummer ein, die Ekholm ihm diktierte, und ging ein paar Schritte durch die angelehnte Terrassentür in den Garten, in dem der Schnee zu schmelzen begonnen hatte. Er hörte wieder die junge, wache, bereits am Morgen schwungvolle Stimme des Mannes, der vor einiger Zeit auf den Anrufbeantworter gesprochen hatte.
»Ja, hallo, hier Sven Lövgren. Wer da?«
»Hallo, mein Name ist Kimmo Joentaa. Ich arbeite bei der Polizei in Turku und bin hier bei Kirsti und Lasse Ekholm …«
»Äh … ja …«, sagte Sven Lövgren.
»Sie hatten angerufen und nach Lasse Ekholm gefragt, und ich möchte Ihnen sagen, dass er nicht kommen wird. Es hat einen schlimmen Unfall gegeben. Die Tochter der Ekholms, Anna, ist dabei ums Leben gekommen.«
»… ja …«, sagte Lövgren.
»Herr Ekholm hat mich gebeten, Ihnen Bescheid zu geben …«
»Ja … natürlich«, sagte Lövgren, und Joentaa erinnerte sich an das erste Telefonat, das er geführt hatte, nach Sannas Tod, mit Sannas Eltern. Die Stimme von Sannas Vater, Jussi, hatte ähnlich geklungen wie die von Sven Lövgren jetzt. Weit entfernt, aus einer fernen Leere kommend.
Er verabschiedete sich, ließ Sven Lövgren mit seiner Verwirrung und beginnenden Traurigkeit allein und hoffte, dass er sich bald wieder bei Kirsti und Lasse Ekholm melden und vielleicht die richtigen Worte finden würde, die Worte, die ihm selbst nicht einfielen.
Er kehrte ins Wohnzimmer zurück,
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