Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
er gestartet war. Nichts war passiert. Nichts und alles.
Am Abflug-Gate hatte er Bergenheims Nachrichten durchgesehen und Taina seine Ankunft am Abend angekündigt. Ich freue mich hatte er geschrieben und es ehrlich gemeint. Er freute sich darauf, Taina und Ville wiederzusehen, und während er auf einem komfortablen Sitz, in klarem blauen Himmel, auf Höhe der Wolken schwebte, dachte er an Réka, an die kleine Hütte und daran, dass er begonnen hatte, in zwei Welten zu leben.
Zwei Welten, die sich nicht berührten, weil sie in verschiedenen Zeiten abliefen, in der einen, die er kannte und immer gekannt hatte, und in der anderen, die der entgegengesetzten Richtung und dem Tempo der Schafe folgte.
Die Ankunft war pünktlich, und auf den breiten Fernsehbildschirmen in der Ankunftshalle flimmerten die Börsenkurse und die eine oder andere Meldung, Kesken OY stand im Fokus von Insolvenzgerüchten, aber Bergenheim und Leno würden das schon richten. Er setzte sich in eine Lounge mit WLAN -Anbindung, nahm das iPad und begann, nach Wohnungen zu suchen.
Drei Zimmer, Balkon mit Meeresblick, Sonnenlichtbad. Sofort zu beziehen. Sein Blick glitt über die Fotos. Viel Weiß, das gefiel ihm. Schneeweiß, von Sonne durchflutet. Er wählte die Nummer des Maklerbüros und sprach mit einer freundlichen Frau, die zu begreifen schien, dass es eilig war, dass es schnell gehen musste. Ein Besichtigungstermin. Ja, heute noch. Kein Problem.
Er fuhr unter einer orangen Abendsonne nach Helsinki, und die Frau vom Maklerbüro stand schon vor dem Haus, als er ankam, einem von breiten Fenstern dominierten Gebäude, das von einem großen, akkurat gepflegten Park umgeben war und aussah wie gerade erst hingestellt, als sei die Farbe an den Wänden noch nicht getrocknet. Alles neu, dachte er, alles auf Anfang. Die Dame lächelte freundlich, während sie mit dem Aufzug nach oben fuhren, und die Wohnung sah den ansprechenden Bildern im Internet sehr ähnlich. Mit Blick auf das Meer und eine der großen Fähren, die am Abend von Helsinki nach Stockholm fahren würde. Schöne Aussicht, dachte er, und eine Erinnerung zuckte auf, er und Taina, in einer anderen Zeit, einem anderen Leben, eng umschlungen, im Wind, auf dem Deck eines Schiffs.
»Ich nehme die Wohnung«, sagte er.
Die Frau sah ihn an, zum ersten Mal ein wenig skeptisch, fragend.
»Ich will das so schnell wie möglich vertraglich regeln. Wann passt es Ihnen?«
»Äh … im Prinzip … wir könnten morgen …«
»Bestens. Morgen Vormittag. Um neun? Dann habe ich vorher kurz Zeit für die Abwicklung mit meiner Bank.«
Sie nickte, und während sie mit dem Aufzug nach unten fuhren, begann sie wieder zu lächeln. Markus Sedin hob noch mal den Arm zum Gruß, als sie in ihren Wagen stieg, dann setzte er sich auf eine Bank am Rand der weiten Rasenfläche, die in den Park überging, und nahm das Handy, wählte.
»Ja?«, sagte sie.
»Réka«, sagte er.
»Hallo …«
»Mit einem Strich über dem e.«
»Ich … habe schon geschlafen …«, sagte sie.
»Und ich habe eine Wohnung gekauft.«
»… hm?«
»Eine Wohnung. Für dich. Du gehst nicht zurück nach Belgien oder sonst wohin und tanzt auch nicht mehr in Käfigen. Du kommst hierher, zu mir, nach Finnland. Schönes Land. Schöne Wohnung.«
»Markus …«
»Mit Blick auf das Meer. Viel Wasser. Ich kaufe dir ein Flugticket. Sag mir einfach nur, wann du fliegen möchtest. Und jetzt schlaf erst mal schön.«
Er unterbrach die Verbindung, bevor sie noch etwas sagen konnte, und ging zu seinem Wagen. Er blieb für eine Weile zurückgelehnt sitzen, mit geschlossenen Augen, bevor er nach Hause fuhr.
IN EINER ANDEREN ZEIT, AN EINEM ANDEREN ORT
22
Hei, friend-of-fire, bist du wach?
–
Klar doch. Never sleeping. Und wer bist du?
–
Angel-in-darkness. Bin neu im Forum und eher zufällig hier gelandet. Habe noch gar nicht richtig begriffen, worum es bei euch so geht …
–
Keine Sorge, begreifen wir alle nicht …
–
Ok …
–
Einfach ein bisschen labern, über Spiele, die wir spielen, Gedanken, die wir haben …
–
Ok …
–
Kannst du auch noch was anderes sagen? Oder nur – ok. ok. ok.
–
Klar … sorry. Darf ich ehrlich sein?
–
Ehrlich. Klingt gut.
–
Ich bin hier gelandet, weil ich einfach nach anderen Leuten gesucht habe, zum Reden …
–
Aha.
–
Ich wollte einfach mal wieder reden, bin nämlich … allein.
–
Aha. Allein.
–
War auf der Suche nach Leuten, denen es genauso … scheiße geht wie
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