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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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mir.
    –
    Und bist natürlich gleich mal bei uns gelandet. Ha!
    –
    Habe schon das Gefühl, dass hier einige auf meiner Schiene sind.
    –
    Aha, aha. Also, mir geht’s blendend.
    –
    Ok.
    –
    Das klingt, als würdest du daran zweifeln.
    –
    Hm.
    –
    Bist du Sozialarbeiterin oder was? Oder Psychotante oder so?
    –
    Nein. Klinge ich so?
    –
    Jo, jo.
    –
    Du wirst lachen, ich habe tatsächlich mal Sozialpädagogik studiert. Angefangen und abgebrochen, war nichts für mich.
    –
    Aha. Lustig, wie meine Schwester.
    –
    Ja?
    –
    Ja, ja, die hat auch so was studiert, war Soziologie oder Soziopathie oder so. Ha! Hat auch gleich aufgehört. Kein Durchhaltevermögen, die Jugend von heute.
    –
    Deine kleine Schwester also?
    –
    Ne, ne. Kleiner Scherz. Ich scherze andauernd, musst du wissen. Ne, ältere Schwester, sieben volle Jahre älter, große Schwester, ich 19, sie 26, alte Oma.
    –
    Ok.
    –
    Jo, ok. Und du so?
    –
    Was?
    –
    Und du? Wie alt?
    –
    Ach so. Oh je. Ehrlich?
    –
    Ich bitte darum.
    –
    29.
    –
    Aha.
    –
    Wenn 26 Oma ist, was ist dann 29?
    –
    Uralte Oma.
    –
    Hm. Klingt weniger schlimm, als ich dachte.
    –
    Ich muss jetzt mal weg, wird mir alles zu viel hier gerade.
    –
    Was denn?
    –
    Zu viel hier, bimmel, bammel, zu heavy, zu viel Gelaber. Aber danke dir, war nett. Tschüss.
    –
    Ok … dann schlaf gut.
     
    Mari Beck schaltete den Computer aus und stellte sich vor, dass Unto das Gleiche tun würde. Auch er saß jetzt vor einem stillen Bildschirm, in einem anderen Dunkel. Aber sie spürte, dass sich für einen Moment, den Moment, in dem er gegangen war, beide Dunkelheiten berührt hatten.

APRIL
23
    Markus Sedin lebte in der Schwebe, auf einer schmalen Schiene zwischen den Welten, ohne das Gleichgewicht zu verlieren.
    Réka war tatsächlich gekommen, war ohne Weiteres in ein Flugzeug gestiegen, zum ersten Mal in ihrem Leben, wenn er das richtig verstanden hatte, und nach Finnland geflogen. Am Ankunft-Gate hatten sie sich in den Armen gelegen, einige Minuten lang, und auf der Fahrt hatte sie gesagt, dass sie Hunger habe und dass sie ihre Ohren nicht mehr spüren könne, dass sie nichts hören könne und dass über den Wolken die Sonne heller gewesen sei als alles, was sie je zuvor gesehen hatte.
    Ob das normal sei, hatte sie gefragt. Das mit den Ohren. Gähnen, hellwach, mit geschärften Sinnen, hatte er gedacht und gelächelt und genickt.
    Sie hatte die Wohnung bezogen und sich schon nach wenigen Tagen darin bewegt, als habe sie nie irgendwo anders gelebt. Er hatte ihr ein Wörterbuch gekauft, und sie hatte ihn daran erinnert, dass das nicht viel bringen werde, weil sie nicht lesen und nicht schreiben könne, weder Finnisch noch Ungarisch noch Rumänisch noch Englisch noch sonst irgendwas.
    »Warum eigentlich?«, hatte er gefragt.
    »Warum was?«
    »Bist du nicht … zur Schule gegangen?«
    »Doch. Also … als ich … bis ich so acht oder neun war …«
    »Wie bitte?«
    »So … als Kind.«
    »Ah«, sagte er. »Und dann?«
    »Dann … nichts …«
    »Aber …«
    »Mann, kein Geld, keine Zeit, capito? Meine Schwestern können das auch nicht …«
    »Hm?«
    »Das da …« Sie deutete auf das Buch. »Den Scheiß da«, sagte sie. »Können meine Schwestern auch nicht.«
    Das Buch lag seitdem auf dem Nachttisch ihres Bettes, wenn er kam, und Sedin hatte den Eindruck, dass sie immer mal wieder darin blätterte.
    In der Bank agierte er in einem Zustand der entrückten Beiläufigkeit, der niemandem aufzufallen schien, von Zeit zu Zeit lobte Bergenheim sogar die neue Gelassenheit, die er in kritischen Situationen an den Tag lege. In den Pausen telefonierte er, auf der Dachterrasse in kühler, klarer Luft stehend, mit Réka, die in seiner Vorstellung am Fenster der schneeweißen Wohnung saß und auf das Meer hinaussah. Auf die Fähren, die, langsam voranschreitend, das weite Wasser durchtrennten.
    Morgens, bevor er ins Büro fuhr, besuchte er sie, brachte Frühstück mit, und abends spazierten sie durch den Park, stundenlang, manchmal auch in den kalten Nächten, und Sedin stellte sich vor, wie es im Sommer werden würde.
    Zu Hause war alles, wie es gewesen war. Wenn er nachts zurückkehrte, lag Taina auf dem Sofa, auf dem Glastisch stand eine zu drei Vierteln geleerte Flasche mit Schaumwein, und Ville lag, gleichmäßig und leise atmend, in seinem Bett unter den Plakaten der Jedi-Ritter. Manchmal setzte sich Sedin an den Rand des Bettes und sah seinem Sohn beim Schlafen zu, so wie er kurz

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