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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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schien bereits auf diesen Patienten gewartet zu haben, und schon nach wenigen Minuten kam Lasse Ekholm wieder ins Wartezimmer, in dem Joentaa saß, und sagte, dass wohl doch eingehendere Untersuchungen anstünden.
    »Es sind … möglicherweise ein paar Rippen gebrochen«, sagte er. »Er hat sich … gewundert, dass ich nicht vor Schmerzen schreie, und hatte wenig Verständnis für …«
    »Er kennt den Hintergrund nicht«, sagte Joentaa. Er hatte den Eindruck, dass Lasse Ekholm noch ein wenig gebückter lief, mit der rechten Hand hielt er seinen Rücken, aber es wirkte, als müsse diese Hand den ganzen Körper abstützen.
    »Ich werde wohl eine Weile hierbleiben … der Arzt meint, mindestens einige Tage. Sie sind gerade auf der Suche nach einem freien Zimmer.«
    Joentaa nickte und verabschiedete sich. Während er durch die Korridore des Krankenhauses lief, kam die Erinnerung an Sanna, wie immer, wenn er dieses Gebäude betrat. Auf diesen Fluren war er gelaufen, in der Nacht, in der sie gestorben war, und hatte den Ausgang gesucht, den Ausgang aus diesem Krankenhaus und den Ausgang aus etwas anderem, aus einem anderen Gebäude, von dem er gewusst hatte, dass er es nie wieder würde verlassen können.
    Draußen umschloss ihn eine warme Sonne, vermutlich würde der Wetterbericht recht behalten, der letzte Schnee war gefallen, der Frühling kam. Er wollte gerade den Wagen starten, als das Handy klingelte. Sundströms Nummer, sein Kollege und Vorgesetzter in der Abteilung Delikte am Menschen der Kriminalpolizei in Turku.
    »Hallo, Paavo«, sagte Joentaa.
    »Kimmo. Wo bist du denn?«
    »Ich hatte gerade jemanden zum Krankenhaus gebracht …«
    »Ach so, die Sache mit deinem Bekannten … dieser Unfall mit Todesfolge?«
    Todesfolge, dachte Joentaa.
    »Ja«, sagte er.
    »Ok, pass auf. Wir haben da was, ich gebe dir gleich noch Näheres durch …«
    »Ok. Was denn?«
    »Zwei Tote. Prostituiertenmord.«
    Todesfolge, dachte Joentaa.
    Prostituiertenmord.
    Merkwürdige Worte. Sundström sprach weiter, aber er verstand ihn nicht.
    »Kimmo? Hallo?!«
    »Entschuldige …«
    »Hörst du mir zu?«
    »Ja. Sicher.«
    »Also, wir wissen noch nicht, ob …«
    Er dachte an die Giraffe. An den Fahrradhelm, mit dem Larissa immer Eishockey spielte. Er würde für eine Weile unberührt bleiben, denn Larissa fuhr niemals Fahrrad, und wäre sie jemals Fahrrad gefahren, hätte sie sicher keinen Helm getragen. Und der See, auf dem sie Eishockey spielte, mit den Jungen aus der Nachbarschaft, würde erst im nächsten Winter wieder zufrieren. Im Hintergrund, in der Ferne, erzählte Sundström Dinge, die nicht wichtig waren.
    »Weiß man den Namen?«, fragte er.
    »Äh … wie bitte?«
    »Nicht den richtigen Namen. Den Namen, unter dem die Frau, also die Tote, gearbeitet hat?«
    »Äh … bitte was?«
    Joentaa betrachtete das Krankenhaus, den rechteckigen Bau mit den ungezählten Fenstern, die er einmal hatte zählen wollen, in den Tagen vor Sannas Tod, aber er hatte abgebrochen und war zurückgegangen, zurück zu Sanna, die in einem der vielen Räume, hinter einem der Fenster, gelegen hatte, und Sanna hatte gelächelt, als er den Raum betreten hatte.
    »Kimmo? Hallo?! Ich verstehe die Frage nicht …«
    Larissa, dachte er. Er stellte sich vor, dass Sundström den Namen Larissa aussprechen würde.
    Er unterbrach die Verbindung und nahm sich vor, dieses Mal bis zum Ende durchzuhalten, als er begann, die Fenster zu zählen.
26
    Kirsti Ekholm empfand die Stille als erleichternd, fast wie einen Verbündeten in ihrem Bemühen, endlich einen oder mehrere klare Gedanken zu finden. Zum ersten Mal, seit dem Moment, in dem sie von Annas Tod erfahren hatte, war sie allein im Haus.
    Lasse hatte angerufen, seine Stimme war leise gewesen, abwesend. Einige Rippen seien gebrochen, vermutlich, er sei gerade auf dem Weg zum Röntgen und werde sich wieder melden, sobald er Näheres wisse.
    Kirsti Ekholm nahm die Tasse und führte sie zum Mund. Heiß, aber nicht zu heiß, so wie sie es am liebsten mochte. Sie betrachtete die auf dem Tisch ausgebreiteten Blätter und den auf dem Bildschirm des Laptops flimmernden Entwurf einer Einrichtung für ein Fernsehstudio. Die Farben. Orange und Blau. Aber nicht irgendein Orange, nicht irgendein Blau. Das Orange zielte ins ganz Warme, das Blau ins Glasklare.
    Die Sessel, in denen die Gäste und die Moderatorin sitzen würden, um wichtige Themen des Lebens zu besprechen, die großen Themen des Lebens, waren weiß. Aber nicht

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