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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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dass ich den kenne … aber ich habe mich erst erinnert, als du angerufen hast und so … komische Sachen gefragt hast …«
    »Aha.«
    »Der komische Grinser … dein Kollege … in dem Club in Ostende.«
    »Ja, richtig, Réka.«
    Sie schwieg.
    »Wollen wir ein bisschen über meinen Kollegen reden? Den komischen Grinser?«
    Sie schwieg.
    »Oder vielleicht über dich? Oder mich? Oder vielleicht darüber, was hier los ist?«
    »Nichts«, sagte sie.
    »Ach so.«
    »Ich arbeite hier.«
    »Aha.«
    »Das Geld reicht nicht, Markus.«
    »Was?«
    »Ich muss meiner Familie helfen. Wir sind neun. Neun Leute. Das reicht nicht, wenn du …«
    »Das reicht nicht, wenn ich dir eine Dreizimmerwohnung kaufe für einhundertfünfzigtausend Euro. Ach so. Die siebentausend Euro für deine kranke Mutter. Reicht nicht. Die fünftausend fürs Dach eurer Dreckshütte. Reicht nicht. Die wöchentlichen Zahlungen. Reicht nicht.«
    Sie schwieg und sah ihn an. Ganz ruhig. Schien auf irgendetwas zu warten.
    »Seit wann arbeitest du hier?«, fragte er.
    »Seit … fast die ganze Zeit eigentlich«, sagte sie.
    »Wie kommst du hierher?«
    »Was?«
    »Wer bringt dich hierher?«
    Sie zögerte. Setzte sich auf das Bett und schien nachzudenken.
    »Hallo? Ich will mal was hören«, sagte Sedin.
    »Mein Freund fährt mich«, sagte sie.
    Er nickte. Das Rauschen hinter der Stirn hatte wieder eingesetzt.
    »Eine Sache will ich sagen, Markus …«
    Er hob den Kopf. Die fremde Frau, die ihm gegenübersaß, wirkte freundlich. Liebenswert. Ja, doch. Er liebte sie.
    »Ja?«, fragte er.
    »Alles, was ich gesagt habe … ist … wie sagt man … falsch.«
    »Ok. Falsch.«
    »Ja. Lüge.«
    »Aha.«
    »Ich muss meiner Familie helfen. Alles andere ist nicht wichtig.«
    »Verstehe.«
    »Und ich möchte eine Sache sagen. Und das ist ehrlich: danke für alles, was du …«
    »Ja. Gern geschehen.«
    Er war aufgestanden. Er lief. Irgendwo war flackerndes Licht in einer vollkommenen Stille, die nicht echt sein konnte. Die Empfangsdame war plötzlich neben ihm und schien mit ihm reden zu wollen, worüber auch immer, sie verschwand erst, als er durch die Kälte rannte, durch den Schnee, der dicht und fest war.
    Schneeballschlachtenschnee.
    Er stieg in den Wagen. Für einen Moment wunderte er sich darüber, dass der Motor ansprang. Dass etwas wie erwartet funktionierte. Er fuhr. Er wusste nicht, wohin und wie lange. Das Telefon klingelte. Réka. Einige Male. Réka.
    Die Dunkelheit schien immer dichter zu werden, aber im Wagen war es warm. Er fand eine lange, schmale Straße, die immer geradeaus zu führen schien, das gefiel ihm. Er hatte das Gefühl, sehr langsam zu fahren, obwohl der Tachometer 220 km/h anzeigte, und den Wagen, der neben ihm von der Straße abkam, sah er kaum.
    Er hörte etwas, das wie ein Schlag klang, eine Art Aufprall, und wunderte sich darüber, dass er noch immer fuhr, dass der Wagen weiterhin über diese Straße glitt, demnach hatte er kein Schaf überfahren, noch nicht. Er beschleunigte weiter. In einiger Entfernung, unter dem Mond, stand ein riesiges Raumschiff.
    Irgendwann endete die Straße. Endete einfach am Beginn eines Waldes. Er stieg aus und stand gegen den Wagen gelehnt. Irgendwo waren Sirenen, Blaulichter, weit entfernt, vermutlich in seiner Fantasie, und auch der andere Wagen, der neben ihm gewesen war und der sich dann in seinem Rücken überschlagen hatte, war in seiner Fantasie gewesen, ein Moment in einem langen Traum, den er geträumt hatte. Das Raumschiff, unter dem blassen Mond, in der Ferne, war kein Raumschiff, sondern eine Sporthalle, eine Eishalle.
    Er stand lange, ohne einen Gedanken zu Ende zu denken. Er begann zu lachen, laut und ausgelassen. Dann ging er auf den Wald zu, der vor ihm lag, um einen Spaziergang zu machen.
    Einen langen Spaziergang.
    Zum ersten Mal, seit einiger Zeit, allein.

IN EINER ANDEREN ZEIT, AN EINEM ANDEREN ORT
29
    friend-of-fire?
    –
    …
    –
    Bist du online?
    –
    Klar bin ich online, sieht man doch, ’ne? Never sleeping.
    –
    Stimmt. Schön, dass du da bist.
    –
    Warum?
    –
    Keine Ahnung. Einfach so. Wie geht’s dir denn?
    –
    Gut, wie immer. Danke der Nachfrage.
    –
    Ich war gestern Nacht noch länger wach … ich dachte, dass ich dich vielleicht verärgert habe, wusste aber nicht, warum … also …
    –
    Weiß ich auch nicht. Kann mich nicht erinnern, verärgert gewesen zu sein. Bin nie verärgert, ganz grundsätzlich nicht.
    –
    Dann ist ja gut.
    –
    Jo, gut.
    –
    Ok. Also. Mir geht was

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