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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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der Stirn.
    »Wie Liebende«, sagte sie.
    Er sah sie an, wartete.
    »Früher sind wir oft spazieren gegangen«, sagte sie. »Haben auf Parkbänken gesessen.«
    »Ja?«, sagte er.
    »Ja, doch. Früher«, sagte sie.
    In Villes Krieg prallten Laserschwerter aufeinander oder Raketen oder Universen oder alles zugleich. Die Welt der Raumschiffe, dachte Markus Sedin, und im Fernsehen begann ein Boulevard-Magazin, eine fesche Frau sagte gut gelaunt Beiträge über Katastrophen aller Art an. Für eine Weile hielt er die Worte, die er hörte, für Fantasie.
    »Schon wieder was Trauriges«, murmelte Taina, und Markus Sedin betrachtete den Bildschirm, hörte der jungen Frau zu, die in der Sprache zu sprechen begonnen hatte, die er nicht verstand, die er erst lernen musste, und er hatte das Gefühl, die eingeblendete Telefonnummer innerhalb von Sekundenbruchteilen auswendig zu lernen. Dann standen plötzlich Musiker auf einer Konzertbühne, im Licht von Scheinwerfern, vor einer jubelnden Menge.
    »Was war das eben?«, fragte er.
    »Hm?«, fragte Taina.
    »Die letzte Sache eben, ich war gerade abgelenkt.«
    »Da geht es um diese finnische Band, die gerade auf Welttournee …«
    »Nein, nein, das, was davor war …«
    »Ach so. Irgendein Unfall in Turku. Die Polizei bittet um Mithilfe. Ein kleines Mädchen ist tot, und der Raser, der den Unfall verursacht hat, ist abgehauen.«
    Er nickte. Ville war mitten im Kriegspielen auf dem Boden eingeschlafen, und Taina richtete sich auf und legte ihre Hand auf seine, strich daran entlang. Er suchte ihren Blick, sah sie lächeln.
    »Irgendwie schön«, sagte sie. »Dass wir hier mal wieder so zusammensitzen.«
    Er nickte.
    »Bringst du Ville ins Bett?«
    »Natürlich«, sagte er. Er stand auf, hob Ville in seine Arme und lief. Ville murmelte etwas, das er nicht ganz verstand. Von einer Spielfigur, die er mit ins Bett nehmen wollte.
    »Wen denn?«, fragte er.
    »Den … den Weißen da natürlich«, sagte Ville.
    »Ah.« Sedin ging noch mal zurück zu Villes Schlachtfeld und hob die Figur auf, einen Ritter von majestätischer Statur, siegesgewiss und kampfeslustig lächelnd, aber das Auffälligste waren die gütigen Augen. Er trug Ville hinunter in seine Welt, und Taina rief noch:
    »Zähne putzen nicht vergessen.«
    Aber daran war nicht zu denken. Als er Ville auf dem Bett ablegte, schlief er schon tief und fest. Markus Sedin setzte sich neben ihn und sah ihn an. Sah ihm dabei zu, wie er schlief, regelmäßig und ruhig atmend. Dann legte er die kleine Spielfigur neben ihn auf das Kissen und deckte beide zu.
    Seinen Sohn.
    Und den guten weißen Ritter.

IN EINER ANDEREN ZEIT, AN EINEM ANDEREN ORT
38
    Mittag, Marktplatz, Macchiato.
    Heute früh kam die Ablehnung vom Militär. Stillgestanden. Jawoll, Herr Oberst. Bedauern wir außerordentlich, Ihnen, sehr geehrter Herr Unto Beck, mitteilen zu müssen, dass eine Aufnahme in den Kreis der finnischen Streitkräfte unter den gegebenen Umständen, in Anbetracht des Steuerns eines Pkws ohne gültige Fahrerlaubnis sowie … zumal die von Ihnen, hochgeehrter Herr Beck, angedachte Laufbahn in der schnellen Eingreiftruppe FRDF (Finnish Rapid Deployment Force, jo, jo) auf Basis des Nichtvorhandenseins adäquater Schul- und/oder sonstiger Abschlüsse welcher Art auch immer bedauerlicherweise, bei aller Sympathie und Wertschätzung, nicht infrage usw. und überhaupt, bimmel, bammel.
    Schade eigentlich.
    Komme also gar nicht mehr dazu, den Idioten zu sagen, dass ich sowieso keine Lust hatte auf ihren Verein.
    Dann ist das also auch gestorben.
    Jo.
    Auf dem Weg ins Café liefen mir dann tatsächlich die Weiber aus meiner alten Klasse über den Weg, als hätte das alles nicht gereicht, aufgereiht wie die Hühner mir entgegenkommend, die schiefe Aada, die fette Ainikki, die dürre Rebekka. Giggel, gaggel, bimmel, bammel, ja hallo, der Unto, lange nicht gesehen, was machste so?
    Traurige kleine Wesen, die gern lachen und schnattern und nicht wissen und nicht wissen und nicht wissen, mit WEM sie eigentlich reden. Musste ein wenig an mich halten, nicht von GEHEIMNISSEN zu erzählen, aber die Damen waren wohl ohnehin nicht wirklich INTERESSIERT , haben ja noch GELACHT und sich AMÜSIERT , als sie sich bereits ein wenig von mir ENTFERNT hatten, mir die schönen RÜCKEN präsentierend, und dachten, ich würde sie nicht mehr HÖREN .
    Lasse mir also den Macchiato schmecken, die Bedienung, von kräftigem Wuchs, lächelt. Schaue aus dem Fenster. Wenig los. Der Tag fällt

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