Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Beerdigung zu regeln«, sagte er. Die Frau starrte ihn an, und er ging weiter.
Als er den dunklen Raum betrat, hörte er schon das Schnarchen des Mannes, mit dem er das Zimmer teilte. Er setzte sich auf das Bett und spürte, wie die Schmerzen zurückkehrten. Der junge Arzt hatte ihn vorgewarnt, hatte ihn am Morgen nach Begutachtung der Röntgenbilder auf beträchtliche Schmerzen vorbereitet und angekündigt, das Schmerzmittel hoch dosieren zu wollen. Lasse Ekholm erinnerte sich an das merkwürdige Gefühl, das er gehabt hatte, gegen Mittag, als er auf seinem Bett gelegen und gespürt hatte, wie dieses Schmerzmittel, das in seine Blutbahn eingesickert war, eine plötzliche Wirkung entfaltet hatte.
Er hatte auf dem Bett gelegen und deutlich gespürt, wie der Schmerz gelindert wurde, wie er abebbte, und für einige Sekunden, für Momente nur, hatte er, während sich der Schmerz in einem Nichts zu verlieren schien, glauben können, dass auch alles andere nicht passiert war. Dass nichts passiert war. Dass er aufstehen und gehen würde, jetzt gleich, um weiterzuleben wie früher, wie immer.
Er zog seine Jacke aus und nahm das Handy aus der Seitentasche. Das Display informierte ihn über einen Anruf in Abwesenheit. Nicht von Kirsti, sondern von Kimmo Joentaa.
Er saß für eine Weile mit dem Handy in der Hand da, betrachtete das Display, die fein säuberlich, perfekt symmetrisch angeordneten Kacheln, dahinter ein blauer Himmel und ein weites Feld, eine der Kacheln symbolisierte den Notruf des landesweiten Reparatur- und Pannendienstes, er würde nur zweimal klicken müssen, um Hilfe zu bekommen, im Falle eines Unfalls.
Er fragte sich, ob Kirsti schlief oder ob sie noch wach war, er dachte an sie, während er Kimmo Joentaas Nummer wählte. Joentaa meldete sich nach Sekunden, seine Stimme klang ruhig und klar.
»Lasse Ekholm hier«, sagte er. »Ich … hatte gerade gesehen, dass Sie angerufen hatten.«
»Ja. Schön, dass Sie sich noch melden. Ich wollte hören, wie es … Ihnen geht«, sagte Joentaa.
»Ich war heute in der Stadt. Wegen der Beerdigung. Sie haben … Anna schon … freigegeben, wir können die Beerdigung in die Wege leiten. Ich war in der Stadt, um ein paar Sachen zu regeln, und bin jetzt wieder im Krankenhaus.«
»Wie geht es Ihrer Frau?«, fragte Joentaa.
»Sie … sie ist nicht da«, sagte Ekholm, und Joentaa am anderen Ende der Leitung schwieg.
»Sie ist … irgendwas stimmt nicht. Sie will nichts davon wissen, wollte nicht mit der Pfarrerin reden, über den Ablauf der Beerdigung … und so weiter …«
Joentaa schwieg.
»Sie arbeitet. Sie war den ganzen Tag in dem TV -Studio, das ihre Firma entworfen hat.«
»Ich habe das ähnlich erlebt«, sagte Joentaa.
»Ja?«
»Ja. Als Sanna gestorben ist … am Tag danach bin ich zur Arbeit gegangen. Sie war immer da. Ich bin nachts aufgewacht und dachte immer, dass sie da ist.«
Ekholm schwieg.
»Ich würde Sie gerne morgen besuchen kommen«, sagte Joentaa. »Ich weiß nicht genau, wann, ich würde vorher anrufen.«
»Ja. Gerne«, sagte Ekholm, und er dachte, dass Kirsti ihn noch nicht besucht hatte. Kirsti war dort, er hier. Oder umgekehrt. Ihre Stimme weit entfernt, als sie am Nachmittag telefoniert hatten, sie hatten über Anna gesprochen, er hier, sie dort. »Ja«, sagte er, »das würde mich freuen.«
»Gut«, sagte Joentaa. »Dann bis …«
»Wissen Sie, eines habe ich gedacht, als ich vorhin aus dem Taxi gestiegen bin. Als ich hier hochgegangen bin, in mein Zimmer …«
»Ja?«, fragte Joentaa.
»Ich habe gedacht, dass ich nach Hause komme. Dass das jetzt mein Zuhause ist. Dieses Krankenhaus«, sagte Ekholm.
41
Kimmo Joentaa legte das Telefon vor sich auf den Tisch und dachte über Lasse Ekholms letzte Worte nach. Das Krankenhaus von Turku. Ein Zuhause. Er wollte nach dem Telefon greifen und auch Kirsti Ekholm anrufen, fragen, wie es ihr gehe, aber er wartete. Fand den letzten Impuls nicht. Dann betraten Sundström und Grönholm den Besprechungsraum, und Sundström sagte: »Bisschen düster«, und schaltete das Licht an, das den Raum flutete. »Bist du schon lange hier, Kimmo?«
»Ein paar Minuten«, sagte Joentaa.
»Bestens, wir müssten jetzt gleich die Verbindung mit den Kollegen haben«, sagte Sundström, und Grönholm startete die Laptops und sprach gleichzeitig am Telefon, mit Seppo in Helsinki, wenn Joentaa die Worte richtig deutete. Dann begannen die Bilder zu flackern und gewannen Gestalt, und Kimmo Joentaa sah Westerberg und
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