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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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murmelte eine Zustimmung und ging in die Küche, er war nicht überrascht, einen weißen Kühlschrank vorzufinden, ausgestattet mit einem digitalen Display und einer Apparatur, die die Herstellung von Eiswürfeln ermöglichte.
    »Alles neu«, sagte Seppo und öffnete den Kühlschrank. »Unberührt, wenn du mich fragst.«
    »Neu«, sagte Westerberg. »Oder mehr als das.«
    »Hm?«, fragte Seppo.
    »Neu«, sagte Westerberg. »Oder neuer als neu. Vielleicht hat hier jemand so intensiv aufgeräumt und gesäubert, dass es neuer aussieht, als eine neue Wohnung jemals aussehen könnte.«
    »Hm«, sagte Seppo und drehte sich im Kreis, vermutlich auf der Suche nach dem Staubkorn, das Westerbergs gewagte These stützen könnte.
    »Nur so eine Idee«, sagte Westerberg.
    »Es ist die erste Wohnung«, sagte Seppo. »Von einhundertdreizehn.«
    Westerberg nickte. Er ging durch den Flur zurück in den Wohnbereich, trat an den Balkon heran, öffnete die Tür und ging hinaus. Der laue Wind war angenehm. Die Maklerin mit dem lieben Lächeln saß neben dem Hausverwalter auf der Bank, auf der die Toten gelegen hatten. Der Himmel hatte die Farbe gewechselt, er hatte sich wieder aufgehellt, stemmte sich gegen die Nacht, die in dieser Zeit des Jahres nie ganz kommen würde. Zartorange der Himmel, violett das Kostüm der Maklerin. Weiß der Raum, in den er zurückkehrte, Seppo schien auf dem Sprung zu sein.
    »Noch hundertzwölf?«, fragte Westerberg.
    »Genau«, sagte Seppo.
    Westerberg folgte Seppo ins Treppenhaus, und die Wohnungstür rastete sanft ein, als Seppo sie schloss.
52
    Am Abend kam Ari Kauppinen, er trug ein Jackett und eine Krawatte und räusperte sich, bevor er die Dokumente aus seinem beigen Aktenkoffer nahm und auf dem Tisch im Wohnzimmer ausbreitete. Lasse Ekholm dachte an lange vergangene Tage, an denen er gemeinsam mit Ari Kauppinen zur Schule gegangen war.
    Morgens waren sie gemeinsam losgefahren, auf klapprigen Fahrrädern, und hatten versucht auszudiskutieren, wer von beiden der Müdere war. In den Pausen hatten sie mit einem gelben Tennisball Fußball gespielt, in den Unterrichtsstunden hatten sie nebeneinandergesessen.
    Kirsti schenkte weißen Wein in drei Gläser und setzte sich auf das Sofa neben Ari. Lasse Ekholm saß im Sessel, den beiden gegenüber, und betrachtete das Glas mit Wein, das vor ihm stand, und die Ordner, die sorgfältig, symmetrisch gestapelten Klarsichtfolien, die weißen, akkurat beschriebenen Blätter mit dem Briefkopf der Kanzlei Kauppinen, Eskanen & Partner.
    Ari Kauppinen räusperte sich ein weiteres Mal, bevor er zu sprechen begann. »Also … zum Stand der Dinge. Im Moment bewegt sich das Verfahren natürlich noch im Anfangsstadium, und es richtet sich gegen unbekannt, aber es besteht meiner Einschätzung nach eine gewisse Hoffnung, dass wir es, wenn die Zeit kommt, wenn sich das alles konkretisiert, recht schnell von der zivilrechtlichen auf die strafrechtliche Ebene heben können.«
    Kirsti nickte, und Lasse Ekholm nahm, nur um irgendetwas zu tun, eines der von einer Klarsichtfolie umhüllten Papiere mit dem Briefkopf der Kanzlei Kauppinen, Eskanen & Partner und begann zu lesen. Den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verwirklicht, wer bei einem Unfall im Straßenverkehr einen Schaden an fremden Sachen verursacht und sich als Beteiligter vom Unfallort entfernt, ohne zu vor den anderen Unfallbeteiligten die Feststellung seiner Personalien ermöglicht oder hierzu wenigstens eine angemessene Zeit gewartet zu haben.
    »Lasse?«
    Früher wurde der Tatbestand als Verkehrsunfallflucht oder Fahrerflucht bezeichnet, richtig heißt es unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Auch verwirklicht das unerlaubte Entfernen, wer sich zwar erlaubterweise von einem Unfallort entfernt, die erforderlichen Feststellungen aber nicht unverzüglich nachträglich …
    »Lasse?«
    Er hob den Blick. Sah Kirsti an, sah in ihre Augen, die anders aussahen, als sie früher ausgesehen hatten.
    »Hörst du zu? Ari möchte uns erklären, wie es weitergehen wird, sobald …«
    Sie sprach nicht weiter, und Ekholm vollendete den Satz in Gedanken. Sobald der Mensch gefunden worden ist, der mir das Licht gebracht hat. Das hellste Licht, das er je gesehen hatte. Lautlos, keine Berührung, lautlos und langsam, eine langsame Sekunde, ein in die Länge gezogener Augenblick.
    Ari, sein bester Schulfreund, der damals sehr gut in Leichtathletik gewesen war und eigentlich Dreispringer hatte werden wollen, räusperte sich

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