Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
nicht noch das Wort Gypsies miteingebaut hatte, Zigeuner, Sie wissen schon, leben außerhalb unserer Gesellschaft, wir werden Schwierigkeiten haben, Ihnen in dieser Sache zu helfen, denn sie haben keine Krankenversicherung, keine Arbeit, keine Sozialversicherungsnummer … als sei die wirtschaftliche und soziale Ausgrenzung, die die Frau vermutlich erst dazu veranlasst hatte, sich im europäischen Ausland zu prostituieren, eine selbst gewählte gewesen.
Joentaa las, zunehmend verärgert, den merkwürdigen Beitrag der rumänischen Dienststelle und war kurz davor, den Laptop herunterzufahren, als am unteren Rand des Displays die Ankunft einer Mail vermeldet wurde. Der Mail, auf die er zwei Monate lang gewartet hatte. Er öffnete das Fenster des Mail-Accounts. Larissa hatte sich, wie meistens, wie immer eigentlich, auf das Wesentliche beschränkt.
Von: veryhotlarissa@pagemails. fi
An: kimmojoentaa@turunpoliisilaitos. fi
Hei Kimmo,
zu deinem unbekannten Finnen: Das ist ein Liebeskasper.
Und ja, den Club in Salo kenne ich, habe dort aber nie gearbeitet. Da sind meines Wissens vorwiegend Frauen aus Osteuropa am Werkeln.
Schlaf gut.
L.
Joentaa ließ seinen Blick auf Larissas Worten ruhen. Er fragte sich, warum Larissa, die nicht Larissa hieß, mit L. unterschrieb. Als müsste sie selbst ihren falschen Namen noch unkenntlich machen.
Zwei Fragen hatte Joentaa gestellt, vor zwei Monaten, und zwei Antworten erhalten. Mehr nicht. Kein Wort über ihre mögliche Rückkehr. Kein Wort darüber, wie es ihr ging. Kein Wort über die Giraffe, die auf sie wartete, unter dem Apfelbaum.
Nichts dergleichen, und er fragte sich, warum er dennoch glücklich war.
Er schaltete den Computer aus, löschte das Licht und legte sich auf das Sofa – wie immer, wenn Larissa nach langer Zeit geschrieben hatte, schlief er fest und ruhig und traumlos.
54
Markus Sedin saß an der Schwelle zwischen Nacht und Morgen in seinem Arbeitszimmer und sortierte die Gegenstände auf seinem Schreibtisch. Rékas Handtasche. Schwarz, mit gelben und roten Verzierungen. Das Leder der Tasche fühlte sich glatt, kühl und ein klein wenig falsch an.
Zwei Handys hatten in der Tasche gelegen, ein Reisepass, ein Etui mit Schmink-Utensilien und eine Geldbörse, die leer gewesen war, vollkommen leer, nur ein Foto war darin gewesen, das Foto des kleinen Jungen im Tarnanzug.
Eines der Handys hatte Sedin nicht aktivieren können, er verstand die Sprache nicht, die ihn zur Eingabe der PIN -Nummer aufforderte, und er hatte keine Ahnung, wie diese Ziffernfolge hätte aussehen können. Rékas Zweithandy, mit dem sie vermutlich von Zeit zu Zeit ihre Mutter angerufen hatte.
Das andere Handy hatte Sedin gekannt, es war das Smartphone, das sie immer bei sich getragen hatte, und er hatte es problemlos an- und ausschalten können, weil die SIM -Karte keine PIN -Eingabe erforderte. Manchmal hatte er sich dieses Handy in den vergangenen Wochen angesehen. Das Prepaid-Guthaben, das er ihr immer neu aufgeladen hatte, betrug 4,98 Euro, und Réka hatte vorwiegend zwei Nummern angewählt, die von Sedin und eine andere, die er nicht kannte, die ihres toten Freundes vermutlich.
An ihn hatte sie auch die kurzen, holprigen Nachrichten gesendet, Texte, die auch mithilfe der Übersetzungsfunktion im Internet schwer zu begreifen gewesen waren, weil jedes dieser mal rumänischen, mal ungarischen Worte mindestens einen Fehler enthalten hatte. Sedin empfand eine vage Freude darüber, dass Réka wenigstens in dieser Hinsicht fast die Wahrheit gesagt hatte. Sie hatte tatsächlich nicht gut schreiben können, und auch das Lesen war ihr offensichtlich schwergefallen, denn ihr Freund, oder was immer dieser Mann für sie gewesen war, hatte seine Nachrichten immer betont kurz gehalten.
Sedins Namen hatte Réka mit M. abgekürzt, und vorwiegend war es in den SMS , die ihn betrafen, um die Frage gegangen, ob und wann M. wie viel Geld auf welche Weise an Réka zu überreichen gedachte. M. macht es hatte Réka recht häufig geschrieben, M. hilft uns, und ihr rumänischer Freund hatte mit einem kurzen Gut so geantwortet.
M. hilft uns.
Er dachte an das, was Réka gesagt hatte, in ihrer letzten Nachricht, die sie in der Nacht ihres Todes auf seine Mailbox gesprochen hatte, in diesem langsamen, aber doch klaren Englisch. Wenn Réka lange genug nachgedacht hatte, hatte sie immer die richtigen Worte gefunden. Ich liebe dich. Ja. Ich belüge den Mann, den ich liebe. So bin ich. Bis später. Aber es
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