Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
der Parkanlage in den Tagen nach dem Auffinden der Leichen befragt worden waren.
In einem ganz anderen Stadtteil, mehr als zehn Kilometer entfernt, hatte der Mann, ihr Freund oder was immer er gewesen war, ein Auto gestohlen. In einem dritten Stadtteil, bei Vantaa in der Nähe des Flughafens, rund zwanzig Kilometer entfernt von diesem Park, waren beide gesehen worden, mehrfach, in einem Supermarkt, Lebensmittel einkaufend. Was darauf hindeutete, dass sie dort gelebt haben könnten, aber die Ermittlungen in Vantaa hatten nichts Konkretes ergeben.
Zweimal war die Frau mit einem Mann gesehen worden, der phasenweise in den Fokus der Ermittlungen gerückt war. Der geheimnisvolle Finne. Noch ein Unbekannter. Schmal, normal, mittleren Alters, gut gekleidet, eine Beschreibung, die vager nicht hätte ausfallen können. Schneebälle werfend, lachend, mit der jungen Frau, am Tag vor ihrem Tod. Genau hier, in diesem Park.
An dieser Stelle seines Gedankengangs spürte Westerberg wieder das Kribbeln, das er gespürt hatte, als sie losgefahren waren. Der Himmel färbte sich erst orange, dann violett, und Westerberg versuchte, sich auf die Hoffnung zu konzentrieren, dass der Hindernislauf durch die Mühlen der Bürokratie doch in einem Ermittlungserfolg enden könnte. Es war nicht leicht gewesen, Zugriff auf den Generalhauptschlüssel zu erhalten. Oder wie immer Seppo das genannt hatte. Zugang zu allen Neubauwohnungen in unmittelbarer Umgebung des Parks, abgesegnet von der Staatsanwaltschaft, vorbehaltlich der Zustimmung der Eigentümer und Mieter.
»Setz dich doch«, sagte Westerberg, aber Seppo schüttelte den Kopf.
»Die müssten jetzt langsam mal kommen, sonst wird das ein langer Abend«, sagte Seppo.
»Hm«, sagte Westerberg. Wo Schnee gelegen hatte, wuchs jetzt Gras. Frischer Rasen, sorgfältig gemäht, ausgiebig mit Wasser versorgt. Die Maklerin war schlank und trug ein einfarbiges Kostüm, das sich mit dem Violett des Himmels deckte, der Hausverwalter stapfte hinter ihr her und sah schon aus der Entfernung genau so aus, wie sich Westerberg einen Hausverwalter vorstellte.
»Ich denke, das sind sie«, sagte er, und Seppo folgte seinem Blick, stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und lief den beiden entgegen. Westerberg erhob sich mühsam und dachte, dass er das Lächeln der Maklerin sympathisch fand, während er auf sie zulief, und dass sie vermutlich eine Spur zu jung für ihn war, aber nur ein paar Jahre.
Seppo teilte die Gruppen ein, der Hausverwalter übergab zögerlich, annähernd widerwillig, gleich mehrere seiner Generalhauptschlüssel, und dann betraten sie das erste Haus, das erste Treppenhaus, die ersten Wohnungen. Westerberg fuhr mit Seppo und zwei der uniformierten Kollegen nach oben, ins obere Stockwerk.
»Oben sind zwei Wohnungen von unserer Liste«, sagte Seppo und studierte aufmerksam das Display seines Tablet-Computers. »Eine der Wohnungen steht nach Aussage der Maklerin noch zum Verkauf, müsste also komplett leer sein, die andere ist verkauft, der Eigentümer ist ein … Moment … Markus Sedin, wohnhaft in Helsinki. Das ist also vermutlich eine Wohnung, die vermietet werden soll, laut Einwohnermeldeamt aber noch nicht vermietet ist.«
»Aha«, sagte Westerberg.
Seppo nickte, und der Aufzug hielt an und öffnete seine Türen. Die Wände des Treppenhauses, die Böden, die Wohnungstüren waren schneeweiß. Seppo öffnete eine der Türen, während die Kollegen in der anderen Wohnung verschwanden, und Westerberg atmete den süßlichen Geruch neuer, heller Räume ein, die Farbe an den Wänden konnte nicht älter sein als wenige Monate.
»Immerhin schon gestrichen«, murmelte Seppo. »Und karg, aber geschmackvoll eingerichtet.«
Westerberg folgte Seppo in den Wohnbereich, ein weißes Sofa stand vor einem flachen Glastisch, der Parkettboden schien gerade erst verlegt worden zu sein.
»Sieht nicht so aus, als hätte hier schon jemand gewohnt«, sagte Seppo. »Eher so, als solle demnächst der erste Mieter einziehen.«
Westerberg nickte. Er betrachtete das Sofa, den Tisch, er ging ins Schlafzimmer, in dem ein neues, breites Bett aus hellem Holz neben einem begehbaren Kleiderschrank stand, weiß der Schrank, weiß das augenscheinlich neue Laken auf dem Bett, weiß die Bettdecke und das Kissen, weiß der Abstelltisch, mit weißen Schubladen.
Weiß, dachte er. Weiß und neu. Vielleicht eine Spur zu weiß. Zu neu.
»Wer immer hier einziehen mag, Geld sollte er haben«, sagte Seppo.
Westerberg
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