Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
mochte natürlich den kleinen, immer in Träumereien schwelgenden Mumin, der mir selbst ähnelte, aber auch Muminpapa und Muminmama, den korrekten, aber auch immer abenteuerlustigen Papa mit dem komischen Zylinder und die Mama, die wenig sprach, aber alles verstand und nie böse wurde.
Jo. Jo.
Wir waren also zu viert, meine Schwester wohl in der beginnenden Pubertät und ein wenig mürrisch gelaunt, mein Vater betrunken und meine Mutter auf diese Art und Weise verhuscht, verängstigt und abwesend, die ich nie verstanden habe.
Es war ein schöner Tag, mein Vater kaufte mir eine Mumin-Stoffpuppe, und ich durfte mir alle Sachen ansehen, das blaue Haus, diesen lustigen Turm mit dem roten Dach, in dem die Mumins leben, Mumipapas Schiff, das Labyrinth, wir waren am Kinderstrand schwimmen, haben Pizza gegessen, und am Ende wollte ich einen Luftballon haben, und mein Vater begann zu lachen und sagte, dass ich ein kleiner Trottel bin und er keine Lust mehr hat auf die Scheiße hier, er hätte sich lange genug am Riemen gerissen.
Der Luftballon sah wie ein Herz aus und war festgebunden, weil er weggeflogen wäre, hätte man nicht darauf geachtet, ihn festzuhalten. Auf dem Ballon war Snufkin zu sehen, der beste Freund von Mumin, der sich nie etwas sagen ließ, er führte das freie, unabhängige Leben eines Einzelgängers und war sehr klug. Und deshalb, wenn ich das an dieser Stelle ehrlich sagen darf, war Snufkin eigentlich mein Liebling.
Jo. Ich wollte damals so sein wie Snufkin.
Ich erinnere mich daran, dass wir über die Brücke liefen, im Strom anderer Besucher, auf dem Weg nach Hause, und ich weinte. Und dann passierte etwas Verrücktes.
Jo.
Meine Schwester, Mari, drehte sich plötzlich um, schrie meine Eltern an, wie ich sie noch nie hatte schreien hören, und rannte los. Nach einigen Minuten kehrte sie zurück, mit meinem Luftballon. Der Ballon wurde richtig hin- und hergeschüttelt, er hing wie eine wehende Fahne im Himmel über der Brücke, es war warm, aber gegen Abend auch sehr windig geworden, fast stürmisch.
Mari lächelte mich an und sagte, ich solle gut festhalten, sonst würde der Ballon wegfliegen, meine Mutter sagte nichts, und mein Vater nahm den Ballon, nahm ihn mir aus der Hand, kratzte daran herum, bis er platzte, und warf die Hülle ins Meer.
In der Nacht nach diesem Tag habe ich zum ersten Mal von der Katze geträumt. Von der schwarzen Ninja-Katze, die glückliche Menschen tötet, indem sie sie berührt.
Mari ist ein paar Wochen später ausgezogen.
Daran erinnere ich mich ziemlich gut, an Maris Auszug, an den ersten Tag allein, und an die Hülle des Ballons auf dem Wasser, das Herz sah aus wie halbiert, wie die Hälfte eines Mondes.
JULI
56
Ende Juli fuhr Kimmo Joentaa wieder zu einer Beerdigung. Bevor er ging, schaltete er das Licht an und sah unter dem Apfelbaum nach. Der Schlüssel lag noch dort, nicht mehr unter Schnee, sondern in der trockenen Erde. Larissa würde ihn an sich nehmen und ins Haus gehen können, falls sie zurückkehrte.
Es war ein warmer Tag, und während er fuhr, dachte er an Sundström und Grönholm, die sich ein Lachen nicht hatten verkneifen können, als er sofort die Hand gehoben und gesagt hatte, er werde nach Helsinki fahren, er werde das übernehmen.
»Sei nicht böse, Kimmo, aber sind Beerdigungen inzwischen ein Hobby von dir?«, hatte Sundström gefragt.
Grönholm hatte leise gekichert, und Joentaa hatte nicht geantwortet, war aber auch nicht böse gewesen. Es war wieder ein warmer, klarer Tag, und Joentaa dachte über die Ermittlung nach, die im Sand verlaufen oder sich irgendwo in Kompetenz- und Zuständigkeitsfragen, im luftleeren Raum zwischen Finnland, Rumänien und Ungarn verloren hatte.
Auf der Prioritätenliste waren die beiden unbekannten Toten, die vermutlich gerade aus den Kühlräumen der Gerichtsmedizin abgeholt und zur Beisetzung transportiert wurden, längst in die zweite Reihe gewandert, aber immerhin war der Tag der Bestattung ein geeigneter Anlass, um nach Helsinki zu fahren und noch einmal über diese Ermittlung nachzudenken, und sei es nur, um einzugestehen, dass man gescheitert war.
Als er ankam, hatte, aus heiterem Himmel, leichter Nieselregen eingesetzt, aber es schien noch wärmer zu werden. Westerberg und Seppo standen am Eingang zum Friedhof, auf der Schwelle, als seien sie noch unschlüssig, ob sie hineingehen oder doch umkehren sollten. Westerberg winkte ihm zu, Seppo drehte sich um und hob ebenfalls den Arm, und Joentaa freute
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