Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
sich, die beiden, nach diversen Skype-Telefonkonferenzen, tatsächlich mal wiederzusehen.
»Kimmo«, rief Westerberg. »Pünktlich wie immer. Hast du einen Regenschirm dabei?«
»Hei, Kimmo«, sagte Seppo.
Wenig später standen sie, ohne Schirm, gemeinsam vor zwei frisch ausgehobenen Gräbern, und der Pfarrer, ein sehr kleiner Mann mit schütterem Haar, verabschiedete sich mit wenigen, aber warmherzigen Worten von zwei Menschen, die er nicht gekannt hatte.
Auch die Frage der Bestattung war eine Frage von Zuständigkeit und Kompetenz gewesen, und am Ende, als sich herauskristallisiert hatte, dass niemand die Toten hatte haben wollen, war eine Beisetzung in Finnland beschlossen worden, in einer kleinen, schattigen Ecke, auf dem großen Friedhof, der nur wenige Fahrminuten vom gerichtsmedizinischen Institut entfernt lag.
»Tja«, sagte Westerberg am Ende, und Seppo sprach über Faserspuren, die an den Kleidern der Toten sichergestellt worden waren und die jetzt endlich hatten zugeordnet werden können.
»Möglicherweise eine Art Plane oder Überwurf oder so«, sagte er. »Um Schwimmbäder abzudecken. Die Kriminaltechnik sagt, dass dieses Material vorwiegend zu diesem Zweck verwendet wird. Allerdings gibt es eine Reihe von Herstellern und natürlich im Großraum Helsinki auch eine ganze Menge …«
»Das wäre dann nach unseren einhundertdreizehn Wohnungen die nächste Nadel im Heuhaufen«, sagte Westerberg, und Joentaa dachte, dass er Westerberg selten so pessimistisch gesehen hatte.
»Das mit den Wohnungen hatte ich gelesen, in der Intranet-Akte«, sagte Joentaa.
»Hat uns vorläufig nicht weitergebracht«, sagte Seppo.
Vorläufig, dachte Joentaa. Er mochte Seppos Art, sich immer noch einen Rest an Hoffnung aufzubewahren.
»Ich frage mich nur …«, murmelte Westerberg.
»Hm?«, fragte Seppo.
»Ich frage mich, ob diese beiden sich das so vorgestellt haben. Dass zu ihrer Beerdigung drei Menschen kommen, die zu Lebzeiten nicht das Geringste mit ihnen zu tun hatten.«
»Hm«, sagte Seppo.
»Und ich frage mich, ob das Mädchen das so gewollt hätte …«
»Hm?«, fragte Seppo.
»Neben diesem Mann begraben zu werden.«
»Hm«, sagte Seppo.
Dann gingen sie, und Westerberg schlug vor, ein Mittagessen in der Kantine des Morddezernats zu sich zu nehmen, die weit besser sei als ihr Ruf.
»Gerne«, sagte Joentaa.
Der Regen war gleichbleibend weich, das Wasser schien innerhalb von Sekunden auf der Haut zu trocknen, und er fuhr hinter Westerberg und Seppo in die Innenstadt von Helsinki.
In der Kantine waren sie allein, die Mittagszeit war schon vorüber, der Koch stand mit einer weißen Mütze hinter der Theke und hatte so viel Spaß daran, seine Gerichte anzupreisen, dass Joentaa Hunger bekam. Sie setzten sich an einen Tisch an den breiten Fenstern. Seppo aß mit gutem Appetit und fragte nach einem Mann, den Joentaa schon fast vergessen hatte.
»Was sagst du?«, fragte er.
»Der Inhaber des Clubs in Salo. Ich denke nach wie vor, dass es gut wäre, da noch mal anzusetzen. Wie hieß der noch mal?«
»Ach so. Sindbad«, sagte Joentaa.
Seppo schwieg.
»Was?«, fragte Westerberg.
»Hm?«
»Bist du sicher?«, fragte Westerberg.
»Was? Ach so … nein, Lindblad. Ich hatte ihn Sindbad genannt, aber er heißt Lindblad.«
Die beiden schwiegen. Dann begann Westerberg zu lachen.
»Das ist gut«, sagte er. Er lachte und lachte, und Joentaa dachte, dass er Westerberg selten so ausgelassen hatte lachen sehen. Seppo schien noch damit beschäftigt zu sein, die Pointe des Witzes zu verstehen.
»Der Mann war arrogant und desinteressiert und kannte niemanden mit Namen, also habe ich ihm halt einen aus dem Märchenbuch gegeben. Aber das kam … ungeplant … sozusagen …«, sagte Joentaa.
»Wunderbar«, sagte Westerberg, und jetzt begann auch Seppo zu lachen, mit Verspätung, aber dafür umso herzhafter.
Joentaa stimmte ein und hörte eine Stimme in seinem Rücken.
»Äh … entschuldigt bitte …«
»Was gibt’s?«, fragte Westerberg.
Joentaa drehte sich um und sah einen jungen Mann, etwa in Seppos Alter, und er dachte vage, dass die Polizei in Helsinki kein Problem mit dem Nachwuchs hatte.
»Da draußen ist eine Frau, die … also ich verstehe nicht viel von dem, was sie sagt, aber ich denke, dass das mit eurer Sache zu tun hat und dass diese Frau …«
»Ja was denn nun?«, fragte Westerberg.
»Sie will anscheinend sofort mit ihrer Tochter sprechen.«
57
Das Erste, was sich Joentaa einprägte, war das
Weitere Kostenlose Bücher