Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
und Seppo klickte sich in bemerkenswerter Geschwindigkeit durch eine Reihe von Mitarbeiterbiografien.
»Meine Herren, da raucht der Kopf …«, murmelte er. »Managing Director, Business Unit Manager, Head of Information Technology, Europa-Potenzial, Technologie-Plus, Rendite-hol-der-Teufel-was …« Dann hielt er inne.
»Da hätten wir immerhin einen ersten Markus«, sagte Seppo.
Joentaa beugte sich über den Bildschirm.
»Und das Komische ist, dass schon wieder was klingelt«, sagte Seppo.
Joentaa sah ihn fragend an.
»Das wäre ja …«, murmelte Seppo. Er öffnete ein anderes Fenster, klickte sich durch eine Liste von Namen. »Mein Gott«, sagte er schließlich.
»Was denn?«, fragte Joentaa.
Seppo lehnte sich zurück. Atmete tief ein und aus.
»Schau mal bitte«, sagte er.
Joentaa beugte sich über den Bildschirm und las den Namen. Zwei Mal, auf der Liste und daneben, auf der Homepage der Bank. Head of Investmentbanking – Northern countries, vicarious head of Fondsmanagement – Northern countries, head of US -Facilities, vicarious head of …
Seppo druckte die Vita aus und das dazugehörende Foto, dann liefen sie zurück in den anderen Raum, zu Westerberg, Kramsu, zu der Frau und ihrem Sohn.
Réka, dachte Joentaa. In der Sonne, am Meer. In einem anderen Sommer. Auf dem Sprung, ins Wasser zu rennen. Hohe Wellen ignorierend.
»Und?«, fragte Westerberg.
Seppo zeigte der alten Frau und ihrem Sohn den Ausdruck, das Foto, der Mann schwieg, die Frau nickte.
»Markus«, sagte sie.
»Was?«, sagte Westerberg.
»Markus Sedin«, sagte Seppo. »Fondsmanager der Norda-Bank. Erinnerst du dich an den Namen?«
Westerberg kniff die Augen zusammen und schien die Erinnerung zu spüren, aber nicht ganz nach ihr greifen zu können.
»Das erste unserer einhundertdreizehn Objekte«, sagte Seppo. »Das schneeweiße. Neuer als neu hast du gesagt, vielleicht hatte ich mir deshalb den Namen gemerkt. Markus Sedin besitzt eine Wohnung mit Meeresblick, dreißig Meter Luftlinie entfernt von der Bank, auf der die Toten gelegen haben.«
60
Markus Sedin erkannte die beiden sofort wieder. Den älteren, der auf eine merkwürdig müde, gleichzeitig souverän behutsame Art den Eindruck vermittelt hatte, die Ermittlung zu leiten. Und den jüngeren, der an der Absperrung gestanden hatte, in Gespräche mit Anwohnern vertieft. Die Toten hatten, vom Balkon aus gut sichtbar, neben der Bank gelegen, und der Park war von Schnee bedeckt gewesen, der begonnen hatte zu schmelzen.
Auno, seine Sekretärin, stand unschlüssig neben den beiden Männern in der Tür, und Sedin signalisierte ihr mit einem Kopfnicken, dass sie gehen konnte, weil er bereit war, die beiden in seinem Büro zu empfangen. Alles war in Ordnung. Nichts passiert. Er würde die Sprache sprechen, die er nicht kannte.
»Herr Sedin. Markus Sedin?«, fragte der Ältere, und Sedin nickte.
»Westerberg, das ist mein Kollege Seppo«, sagte der Ältere, und Sedin nickte wieder und bat die beiden, Platz zu nehmen.
Sie saßen sich gegenüber. Schweigend. Vielleicht war das ja die Sprache, die er suchte. Schweigen. Der Ältere, Westerberg, nahm ein Foto aus der Tasche seines Jacketts. Er legte es auf den Schreibtisch, und Sedin betrachtete es, lange.
»Sie kennen die Frau?«, fragte Westerberg.
Er nickte. Es erschien ihm selbstverständlich, das zu tun. Nicken, zustimmen. Das konnte nicht falsch sein.
»Ja?«, fragte Westerberg, und Sedin dachte, dass sie zu viert im Raum waren. Westerberg, Seppo, er selbst. Und Réka. Blau und Orange. Kontrastfarben, in perfekter Harmonie vereint. Sie lachte, schien auf dem Sprung zu sein, gleich würde sie loslaufen, ins Wasser.
»Sie besitzen eine Wohnung in der Neubauanlage Rannankatu 8 – 24?«
Er nickte.
»Sie wissen, dass dort vor einiger Zeit, Anfang Mai, im angrenzenden Park, die Leiche dieser Frau gefunden wurde?«
Er nickte.
»Waren Sie befreundet mit dieser Frau? Haben Sie ihr und ihrer Familie geholfen?«
Er nickte.
»Ja«, sagte Westerberg. »Dann … möchten wir Sie bitten, uns zu begleiten.«
Er nickte. Stand auf.
»Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass es sich vorläufig nicht um eine Festnahme nach Paragraf 127 handelt, sondern um die Abholung zu einer Vernehmung, wobei die Vernehmung zur Person obligatorisch sein wird, die Vernehmung zur Sache auf Freiwilligkeit gründet.«
Er nickte.
Dann liefen sie über den frisch gereinigten grauen Teppich zum Aufzug und fuhren nach unten. Niemand kam, niemand, mit
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