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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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›Untertane n‹, ein
    minderwertiges Volk mit schwarzen Gesichtern. Seine
    Einstellung war ein bißchen zu tolerant. Auch hatte er noch nicht begriffen, wieso er sie gegen sich aufbrachte. Er wünschte so sehr, daß sie Burma ebenso liebte wie er, daß sie es nicht mit den gleichgültigen, interesselosen Augen einer Memsahib
    ansah! Er hatte vergessen, daß die meisten Leute sich nur in einem fremden Land wohl fühlen, wenn sie auf seine Bewohner hinabsehen.
    Er war zu eifrig in seinen Versuchen, sie für Orientalisches einzunehmen. Zum Beispiel versuchte er sie dazu zu bewegen, Burmanisch zu lernen, aber es wurde nichts daraus. (Ihre Tante hatte ihr erklärt, nur Missionarsfrauen sprächen burmanisch; feine Frauen kämen sehr gut mit Küchen-Urdu aus.) Es gab
    zahllose kleine Unstimmigkeiten dieser Art. Sie hatte das dunkle Gefühl, daß seine Ansichten sich für einen Engländer nicht gehörten. Klarer war ihr, daß er sie bat, die Burmanen gern zu haben, sie sogar zu bewundern; Leute mit schwarzen Gesichtern bewundern, beinahe Wilde, deren Aussehen sie noch immer
    schaudern ließ!
    -137-
    Das Thema tauchte hundertfach auf. Ein Haufen Burmanen
    kam auf der Straße an ihnen vorbei. Sie mit ihren noch
    unverbrauchten Augen starrte ihnen nach, halb neugierig und halb abgestoßen; und sie sagte zu Flory, wie sie zu jedem
    anderen gesagt hätte:
    »Wie abstoßend häßlich diese Leute sind, finden Sie nicht?«
    »Finden Sie? Ich finde immer, daß sie ganz reizvoll aussehen, die Burmanen. Sie haben so prachtvolle Körper! Sehen Sie die Schultern von dem dort an - wie eine Bronzestatue. Stellen Sie sich vor, was Sie in England zu sehen bekommen würden, wenn die Leute halbnackt wie hier herumliefen!«
    »Aber sie haben so häßlich geformte Köpfe! Ihre Schädel sind hinten so nach oben abgeschrägt wie bei einem Kater. Und dann diese zurückfliehenden Stirnen - dadurch sehen sie so böse aus.
    Ich habe mal in einer Zeitschrift etwas über die menschliche Kopfform gelesen; da hieß es, daß eine fliehende Stirn ein Merkmal eines Verbrechertyps ist.«
    »Na hören Sie, das ist ein bißchen zu allgemein! Ungefähr die Hälfte aller Menschen auf der Welt haben solche Stirnen.«
    »Na ja, wenn Sie die Farbigen mitrechnen, natürlich ...!«
    Oder vielleicht kam eine Reihe Frauen vorüber, die zum
    Brunnen gingen: stämmige Bauernmädchen, kupferbraun,
    aufrecht unter ihren Wasserkrügen, die kräftigen Gesäße wie eine Stute herausgestreckt. Die burmanischen Frauen stießen Elizabeth noch mehr ab als die Männer; sie fühlte ihre
    Verwandtschaft mit ihnen, und die Tatsache, mit solchen
    schwarzgesichtigen Geschöpfen verwandt zu sein, erfüllte sie mit Haß.
    »Sind sie nicht einfach fürchterlich? So grob sehen sie aus, wie eine Art Tier. Glauben Sie, daß irgendjemand diese Frauen anziehend finden kann?«
    »Ihre Männer tun es, glaube ich.«
    -138-
    »Vermutlich. Aber diese schwarze Haut - ich weiß nicht, wie jemand das ertragen kann!«
    »Aber wissen Sie, man gewöhnt sich mit der Zeit an die
    braune Haut. Man sagt sogar - und ich glaube, es stimmt -, daß einem nach ein paar Jahren in diesen Ländern eine braune Haut natürlicher vorkommt als eine weiße. Und schließlich ist sie ja auch natürlicher. Wenn Sie die Welt als Ganzes betrachten, ist es etwas Ausgefallenes, weiß zu sein.«
    »Sie haben wirklich komische Ideen!«
    Und so weiter und so weiter. Sie empfand die ganze Zeit alles, was er sagte, als unbefriedigend und unnatürlich. Das war
    besonders so an dem Abend, als Flory sich von Mr. Francis und Mr. Samuel, den beiden ausgestoßenen Eurasiern, am Clubtor ins Gespräch ziehen ließ.
    Elizabeth war gerade ein paar Minuten vor Flory in den Club gekommen, und als sie seine Stimme am Tor hörte, kam sie um das Gitter des Tennisplatzes auf ihn zu. Die beiden Eurasier hatten sich an Flory herangemacht und ihn in die Enge getrieben wie ein paar Hunde, die spielen wollten. Francis war derjenige, der am meisten redete. Er war ein magerer, reizbarer Mann, braun wie ein Tabakblatt, der Sohn einer südindischen Frau; Samuel, dessen Mutter von karenischer Abstammung war, war
    hellgelb mit glanzlosem rotem Haar. Beide waren in schäbige Drellanzüge gekleidet und trugen große Topis, unter denen ihre schlanken Körper wie die Stengel von Pilzen aussahen.
    Elizabeth kam gerade rechtzeitig den Pfad herunter, um
    Bruchstücke einer ungeheuer langen und komplizierten
    Autobiographie zu hören. Mit Weißen zu sprechen

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