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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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meine, es ist so ein schlechtes
    Beispiel! Es ist fast so schlimm, als wenn einer von uns das wäre! Kann man für die beiden nicht etwas tun? Eine Sammlung für sie veranstalten und sie wegschicken oder so etwas?«
    »Ich fürchte, das würde nicht viel nützen. Wo sie auch
    hinkämen, wären sie in derselben Lage.«
    »Aber könnte man ihnen nicht richtige Arbeit verschaffen?«
    »Das bezweifle ich. Sehen Sie, Eurasier dieser Art - Männer, die im Basar aufgewachsen sind und keine Erziehung haben sind von Anfang an erledigt. Die Europäer berühren sie nicht einmal mit dem Stock, und es ist für sie unmöglich, in den unteren Regierungsdienst einzutreten. Sie können nichts anderes tun als schnorren, wenn sie nicht jeden Anspruch auf ihr Europäertum aufgeben wollen. Und das kann man von den armen Teufeln
    wirklich nicht erwarten. Der Tropfen weißen Bluts ist das
    einzige Kapital, das sie haben. Der arme Francis, jedesmal, wenn ich ihn treffe, fängt er an, von seinen Hitzpickeln zu erzählen. Eingeborene leiden angeblich nicht unter Hitzpickeln -
    natürlich Quatsch, aber die Leute glauben es. Dasselbe mit dem Sonnenstich. Sie tragen diese riesigen Topis, um einen daran zu erinnern, daß sie europäische Schädel haben. Eine Art
    Wappenschild. Der Schräglinksbalken, gewissermaßen.«
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    Das stellte Elizabeth nicht zufrieden. Sie bemerkte, daß Flory, wie üblich, eine schleichende Sympathie für die Eurasier
    empfand. Und das Aussehen der beiden Männer hatte eine
    besondere Abneigung in ihr erregt. Sie wußte jetzt, wohin dieser Typ gehörte. Sie sahen wie Welsche aus. Wie die Mexikaner
    und Italiener und andere Welsche, die in so vielen Filmen den Bösewicht hergeben.
    »Sie sahen schrecklich degeneriert aus, nicht wahr? So dünn und schmächtig und kriecherisch; und sie haben überhaupt keine ehrlichen Gesichter. Ich nehme an, diese Eurasier sind sehr degeneriert? Ich habe gehört, daß Mischlinge immer das
    Schlechteste von beiden Rassen erben. Stimmt das?«
    »Ich weiß nicht so recht. Die meisten Eurasier sind keine sehr guten Exemplare, und bei der Art, wie sie aufwachsen, ist es schwer zu sagen, wie sie es sein könnten. Aber unsere
    Einstellung zu ihnen ist ziemlich gemein. Wir reden immer so über sie, als wären sie wie Pilze aus der Erde gesprossen
    mitsamt all ihren schlechten Eigenschaften. Aber genau
    genommen sind wir für ihre Existenz verantwortlich.«
    »Für ihre Existenz verantwortlich?«
    »Ja, sehen Sie, sie haben doch alle Väter.«
    »Ach so ... Natürlich ist das so ... Aber letzten Endes sind Sie doch nicht verantwortlich. Ich meine, nur eine sehr niedrige Sorte von Männern würde - äh - mit Eingeborenenfrauen etwas zu tun haben, nicht wahr?«
    »O ja, richtig. Aber die Väter von diesen beiden Herren
    gehörten dem geistlichen Stande an, glaube ich.«
    Er dachte an Rosa McFee, das eurasische Mädchen, das er
    1913 in Mandalay verführt hatte. Wie er sich in einem Gharry mit verhängten Fenstern zu ihrem Haus gestohlen hatte; Rosas Korkenzieherlocken; ihre verrunzelte alte burmanische Mutter, die ihm in dem dunkeln Wohnzimmer mit den Farnkrauttöpfen
    und dem Korbdiwan Tee eingeschenkt hatte. Und hinterher, als
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    er mit Rosa Schluß gemacht hatte, diese furchtbaren,
    flehentlichen Briefe auf parfümiertem Briefpapier, die er
    schließlich gar nicht mehr aufgemacht hatte.
    Elizabeth kam nach dem Tennis auf das Thema Francis und
    Samuel zurück.
    »Diese beiden Eurasier - hat hier jemand etwas mit ihnen zu tun? Werden sie irgendwo eingeladen oder so?«
    »Um Gotteswillen, nein. Sie sind völlig ausgestoßen. Es gilt sogar als nicht ganz richtig, mit ihnen zu sprechen. Die meisten von uns sagen ihnen Gutenmorgen - Ellis nicht einmal das.«
    »Aber Sie haben mit ihnen gesprochen.«
    »Nun ja, ich verstoße hin und wieder gegen die Regeln. Ich meinte, daß ein Pukka-Sahib wahrscheinlich nicht mit ihnen sprechen würde. Aber sehen Sie, ich versuche - nur manchmal, wenn ich den Schneid habe, - kein Pukka-Sahib zu sein.«
    Das war eine unkluge Bemerkung. Sie kannte inzwischen die
    Bedeutung von ›Pukka-Sahib‹ und allem, was damit
    ausgedrückt war, sehr wohl. Seine Bemerkung hatte den
    Unterschied ihrer Standpunkte ein bißchen deutlicher gemacht.
    Der Blick, den sie ihm zuwarf, war fast feindselig und
    merkwürdig hart; denn ihr Gesicht konnte zuweilen hart
    aussehen, trotz all ihrer Jugend und blumigen Haut. Diese
    modische Schildpattbrille verlieh ihr einen

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