Tage in Burma
hatte nicht
erwartet ...«
»Was für absolut ekelhafte Leute!«
Sie war bitterböse. Ihr Gesicht war wunderschön zartrosa
gerötet, wie eine Mohnblumenknospe, die einen Tag zu früh
aufgegangen ist. Es war das tiefste Erröten, zu dem ihr Gesicht imstande war. Er folgte ihr durch den Basar zurück zur
Hauptstraße, und erst als sie fünfzig Meter weit gegangen
waren, wagte er wieder zu sprechen.
»Es tut mir so leid, daß das passiert ist! Li Yeik ist so ein anständiger alter Bursche. Es wäre ein schrecklicher Gedanke für ihn, daß er Sie gekränkt haben könnte. Es wäre wirklich besser gewesen, wenn wir noch ein paar Minuten geblieben
wären. Nur um ihm für den Tee zu danken.«
»Ihm danken! Nach alldem!«
»Aber ehrlich, Sie sollten sich an solchen Dingen nicht
stoßen. Nicht in diesem Lande. Die ganze Einstellung dieser Leute ist so anders als unsere. Man muß sich anpassen. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie lebten im Mittelalter -«
»Ich glaube, ich mochte nicht mehr darüber sprechen.«
Es war das erste Mal, daß sie sich richtig gestritten hatten.
Ihm war so elend zumute, daß er sich nicht einmal fragen
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konnte, womit er sie so verletzt hatte. Ihm war nicht klar, daß diese ständigen Bemühungen, sie für Orientalisches
einzunehmen, ihr nur pervers und nicht ›gentlemanlike‹
vorkamen, als ein ständiges Suchen nach dem Schmutzigen und
›Garstigen‹. Er hatte noch nicht einmal jetzt begriffen, mit welchen Augen sie die ›Eingeborenen‹ ansah. Er wußte nur, daß sie bei jedem Versuch, sie an seinem Leben, seinen Gedanken, seinem Gefühl für Schönheit teilnehmen zu lassen, vor ihm
zurückschreckte wie ein scheuendes Pferd.
Sie gingen die Straße entlang, er links und ein bißchen hinter ihr. Er sah ihre abgewandte Wange und die goldenen Härchen in ihrem Nacken unter der Krempe ihres Terai-Hutes. Wie er sie liebte, wie er sie liebte! Es war, als hätte er sie bis zu diesem Augenblick noch nie wirklich geliebt, da er in Schande hinter ihr ging und nicht einmal wagte, sein entstelltes Gesicht zu zeigen.
Er setzte mehrmals zum Sprechen an und verstummte dann
wieder. Seine Stimme schwankte ein bißchen, und er wußte
nicht, was er sagen konnte, ohne zu riskieren, sie irgendwie zu verletzen. Schließlich sagte er matt mit dem schwachen
Versuch, so zu tun, als wäre nichts vorgefallen:
»Es wird gräßlich heiß, nicht wahr?«
Bei einer Temperatur von 30 Grad im Schatten war das nicht gerade eine brillante Bemerkung. Zu seiner Überraschung
ergriff sie diese Gelegenheit mit einer Art Gier. Sie wandte sich ihm zu, und sie lächelte wieder.
»Ist es nicht wie in einem Backofen?«
Damit war der Friede zwischen ihnen geschlossen. Die
alberne, banale Bemerkung, die die beruhigende Atmosphäre
des Clubgeplauders mit sich brachte, hatte sie besänftigt wie ein Zauberspruch. Flo, die hinter ihnen zurückgeblieben war, kam hechelnd und sabbernd hinter ihnen her; im nächsten
Augenblick unterhielten sie sich ganz wie sonst über Hunde.
Während des restlichen Heimwegs sprachen sie fast pausenlos
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über Hunde. Hunde sind ein unerschöpfliches Thema. Hunde,
Hunde! dachte Flory, während sie den heißen Abhang
hinaufstiegen und die aufsteigende Sonne wie ein Feueratem durch ihre dünnen Kleider hindurch ihre Schultern versengte -
würden sie denn nie über etwas anderes als Hunde reden? Oder wenn nicht über Hunde, dann über Grammophonplatten und
Tennisschläger? Und doch, wenn sie sich an solcherlei Quatsch hielten - wie leicht, wie freundschaftlich konnten sie dann miteinander plaudern!
Sie gingen an der glitzernden weißen Mauer des Friedhofs
vorbei und kamen an das Lackersteensche Tor. Zur Seite des Tores wuchsen Goldmohurbäume und ein über zwei Meter
hoher Stockrosenbusch mit runden, roten Blüten wie gerötete Mädchengesichter. Flory nahm im Schatten den Hut ab und
fächelte sich das Gesicht.
»Nun, wir sind vor der schlimmsten Hitze zurück. Ich fürchte, unser Ausflug zum Basar war im ganzen kein Erfolg.«
»Doch, doch. Es hat mir Spaß gemacht, wirklich.«
»Nein - ich weiß nicht, aber irgendwie scheint immer etwas schief zu gehen. - Ach, übrigens! Sie haben doch nicht
vergessen, daß wir übermorgen auf die Jagd gehen wollen?
Hoffentlich paßt Ihnen dieser Tag?«
»Ja, und mein Onkel wird mir sein Gewehr leihen. Das wird
lustig werden! Sie werden mir das Schießen beibringen müssen.
Ich freue mich so drauf.«
»Ich auch. Es ist
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