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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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ekelhaften Sitten zu beobachten? Das alles war irgendwie verkehrt. Trotzdem
    folgte sie ihm, da sie sich nicht imstande fühlte, ihren
    Widerwillen zu erklären. Eine Welle von stickiger Luft schlug ihnen entgegen, ein Gestank nach Knoblauch, gedörrtem Fisch, Schweiß, Staub, Anis, Nelken und Kurkuma. Die Menge
    umdrängte sie, Schwärme von stämmigen Bauern mit
    zigarrenbraunen Gesichtern, verdorrte alte Leute, das graue Haar am Hinterkopf zu einem Knoten gebunden, junge Mütter, die
    ihre nackten Babies auf der Hüfte trugen. Flo wurde getreten und jaulte. Ordinäre, starke Schultern stießen Elizabeth an, als die Bauern sich um die Buden drängten, denn sie waren zu sehr mit Feilschen beschäftigt, um eine weiße Frau anzustarren.
    »Sehen Sie!« Flory zeigte mit seinem Stock auf eine Bude
    und sagte etwas, aber es ging in dem Geschrei von zwei Frauen unter, die über einem Korb mit Ananas die Fäuste
    gegeneinander schüttelten. Elizabeth war vor dem Gestank und Lärm zurückgewichen, aber er merkte es nicht und führte sie tiefer in die Menge hinein, sie auf diese und jene Bude
    aufmerksam machend. Die Waren sahen fremdländ isch,
    sonderbar und ärmlich aus. Da gab es große Grapefruits, die wie grüne Monde an Leinen hingen, rote Bananen, Körbe mit
    heliotropfarbenen Garnelen von Hummergröße, in Bündel
    gebundenen spröden Dörrfisch, karminrote Paprikaschoten,
    aufgeschlitzte und wie Schinken geräucherte Enten, grüne
    Kokosnüsse, die Larven des Rhinozeroskäfers, Abschnitte von Zuckerrohr, Dahs, lackierte Sandalen, karierte seidene Longys, Aphrodisiaka in Form von großen, seifenartigen Pillen,
    meterhohe glasierte irdene Krüge, chinesis che Bonbons, aus Knoblauch und Zucker gemacht, grüne und weiße Zigarren,
    purpurne Prinjals, Halsketten aus Dattelkernen, Hühner, die in
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    Rohrkörben gackerten, Messing-Buddhas, herzförmige
    Betelblätter, Flaschen mit Bullrich-Salz, falsche Zöpfe,
    Kochtöpfe aus rotem Ton, Stahlhufe für Ochsen, Marionetten aus Papiermache, Streifen von Alligatorhaut mit Zauberkraft.
    Elizabeths Kopf begann sich zu drehen. Am anderen Ende des Basars schien die Sonne blutrot durch den Schirm eines Priesters wie durch das Ohr eines Riesen. Vor einer Bude waren vier drawidische Frauen damit beschäftigt, in einem großen
    hölzernen Mörser mit schweren Stangen Kurkuma zu stoßen.
    Das scharfriechende gelbe Pulver flog hoch und kitzelte
    Elizabeth in der Nase, so daß sie niesen mußte. Sie hatte das Gefühl, keinen Augenblick länger hier aushaken zu können. Sie faßte Flory am Arm.
    »Diese vielen Menschen - die Hitze ist so schrecklich.
    Könnten wir nicht in den Schatten gehen?«
    Er wandte sich um. Um die Wahrheit zu sagen: er hatte zuviel damit zu tun gehabt, zu reden - größtenteils unhörbar wegen des Lärms -, um zu merken, wie sie unter Hitze und Gestank litt.
    »O ja, natürlich. Es tut mir leid. Wir wollen gleich hier
    weggehen. Ich will Ihnen was sagen : wir werden zum Laden
    vom alten Li Yeik gehen - das ist der chinesische
    Lebensmittelhändler -, und er wird uns was zu trinken geben. Es ist hier ziemlich schwül.«
    »All diese Gewürze - sie nehmen einem direkt den Atem. Und was ist dieser schreckliche Fischgeruch?«
    »Ach, nur eine Art Sauce, die sie aus Garnelen machen. Sie graben sie ein und nach mehreren Wochen graben sie sie wieder aus.«
    »Nein, wie entsetzlich!«
    »Ganz gesund, glaube ich. Geh da weg!« sagte er zu Flo, die an einem Korb mit einer Art Gründlingen schnupperte, die
    Stacheln an den Kiemen ha tten.
    Li Yeiks Laden lag gegenüber dem anderen Ende des Basars.
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    Eigentlich hatte Elizabeth sich gewünscht, direkt zum Club zurückzugehen, aber das europäische Aussehen von Li Yeiks
    Ladenfront - das Schaufenster war voll von Lancaster-
    Baumwollhemden und fast unglaublich billigen deutschen
    Uhren tröstete sie etwas nach der Barbarei des Basars. Sie wollten gerade die Stufen hinaufgehen, als ein schlanker
    zwanzigjähriger Jüngling - abscheulich angezogen in einem Longyi, einem blauen Kricket-Blazer und leuchtend gelben Schuhen, das Haar gescheitelt und nach ›ingaleik‹-Mode
    pomadisiert - sich aus der Menge löste und hinter ihnen her kam. Er begrüßte Flory mit einer ungeschickten kleinen
    Bewegung, als müßte er sich beherrschen, sich nicht zu
    verbeugen.
    »Was ist?« fragte Flory.
    »Brief, Sir.« Er zog einen schmuddeligen Briefumschlag
    heraus.
    »Würden Sie mich entschuldigen?« sagte Flory zu Elizabeth
    und

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