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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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sterbenden Verwandten zu besuchen, und
    verbrachte mehrere ereignisreiche Tage in den Bordellen von Mandalay. Es verging einige Zeit, der Tag des Ausbruchs wurde mehrmals verschoben - und der Wärter bekam inzwischen
    immer mehr Heimweh nach den Bordellen in Mandalay.
    Schließlich beschloß er, sich eine weitere Belohnung zu
    verdienen, indem er U Po Kyin den Plan verriet. Aber U Po
    Kyin sah wie gewöhnlich seine Chance. Er befahl dem Wärter bei schwerster Strafe, den Mund zu halten und dann, gerade in der Nacht des geplanten Ausbruchs, als es zu spät war, etwas zu unternehmen, schrieb er wieder einen anonymen Brief an Mr.
    Macgregor, in dem er ihn vor dem Ausbruchsversuch warnte. In dem Brief stand - unnö tig zu sagen - unter anderm, daß Dr.
    Veraswami, der Gefängnisdirektor, für sein stillschweigendes Einverständnis bestochen worden sei.
    Am Morgen war ein Tumult und ein großes Hin und Her von
    Wärtern und Polizisten im Gefängnis, denn Nga Shwe O war
    ausgebrochen. (Er war inzwischen weit weg auf dem Fluß in
    einem von U Po Kyin gelieferten Sampan.) Diesmal war Mr.
    Macgregor sprachlos. Wer auch immer den Brief geschrieben
    hatte, mußte an dem Komplott beteiligt sein und sagte
    wahrscheinlich die Wahrheit über das Einverständnis des
    Doktors. Es war eine sehr ernste Angelegenheit. Ein
    Gefängnisdirektor, der sich bestechen läßt, um einen Häftling entkommen zu lassen, ist zu allem fähig. Und darum - vielleicht war die logische Folgerung nicht ganz klar, aber für Mr.
    Macgregor war sie klar genug -, darum wurde die Anklage
    wegen Aufwiegelei, die Hauptanklage gegen den Doktor, sehr viel glaubwürdiger.
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    U Po Kyin hatte die anderen Europäer zur gleichen Zeit
    angegriffen. Flory, des Doktors Freund und die Hauptquelle seines Prestiges, hatte sich leicht genug Angst einjagen lassen, so daß er seinen Freund im Stich ließ. Mit Westfield war es ein bißchen schwieriger. Westfield als Polizist wußte sehr viel über U Po Kyin, und es war denkbar, daß er ihm seine Pläne
    verderben konnte. Polizisten und Richter sind von Natur aus Feinde. Aber U Po Kyin hatte verstanden, selbst diese Tatsache zu seinem Vorteil auszunützen. Er hatte den Doktor beschuldigt, natürlich anonym, mit dem berüchtigten bestechlichen Schurken U Po Kyin im Bunde zu sein. Das erledigte den Fall Westfield.
    Und was Ellis betraf, so waren bei ihm keine anonymen Briefe notwendig; nichts konnte seine Meinung über den Doktor
    schlimmer machen, als sie schon war.
    U Po Kyin hatte sogar einen seiner anonymen Briefe an Mrs.
    Lackersteen geschickt, denn er kannte die Macht der
    europäischen Frauen. Dr. Veraswami, so hieß es in dem Brief, stiftete die Eingeborenen dazu an, die europäischen Frauen zu entführen und zu vergewaltigen - Einzelheiten wurden nicht angegeben, sie waren auch nicht nötig. U Po Kyin hatte Mrs.
    Lackersteens schwachen Punkt getroffen. Für ihre Vorstellung vermittelten die Worte ›Aufwiegelei‹, ›Nationalismus‹,
    ›Rebellion‹, ›Autonomie‹ ein und nur ein Bild, nämlich wie sie selbst von einer Prozession kohlschwarzer Kulis mit rollenden weißen Augäpfeln vergewaltigt wurde. Es war ein Gedanke, der sie zuweilen nachts wachhielt. Welche Hochachtung die
    Europäer auch einst für den Doktor gehabt hatten, sie
    zerbröckelte mit größter Geschwindigkeit.
    »Du siehst also«, sagte U Po Kyin mit wohlgefälliger Miene,
    »du siehst, wie ich ihn untergraben habe. Er ist wie ein an der Wurzel angesägter Baum. Noch ein Schlag, und er fällt um. In spätestens drei Wochen werde ich ihm diesen Schlag versetzen.«
    »Wie?«
    »Darauf komme ich gleich zu sprechen. Ich glaube, es ist Zeit,
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    daß du etwas darüber hörst. Du hast keinen Verstand für solche Angelegenheiten, aber du verstehst den Mund zu halten. Du hast doch von diesem Aufstand gehört, der sich bei dem Dorf
    Thongwa zusammenbraut?«
    »Ja. Sie sind sehr töricht, diese Dorfleute. Was können sie mit ihren Dahs und Speeren gegen die indischen Soldaten ausrichten? Sie werden wie wilde Tiere abgeschossen werden.«
    »Natürlich. Wenn es zu einem Kampf kommt, wird es ein
    Massaker sein. Aber sie sind nur ein Haufe n abergläubischer Bauern. Sie haben ihren Glauben auf diese albernen
    kugelsicheren Jacken gesetzt, die an sie verteilt werden. Ich verachte solche Unwissenheit.«
    »Die armen Menschen! Warum hältst du sie nicht zurück, U
    Po Kyin? Es ist nicht notwendig, jema nden zu verhaften. Du brauchst nur in das Dorf zu gehen

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