Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
du dazu sagen?
B.
Leo Tolstoj verurteilt jede Anwendung von Gewalt – also auch den Krieg, den er als Verbrechen bezeichnet. Ich denke nicht, daß der Bührle-Konzern sich auf Tolstoj berufen könnte.
A.
Hältst du Herrn Bührle für einen Verbrecher?
B.
Ich sehe, daß diese Frage weder vom Gericht noch von der Öffentlichkeit gestellt wird; das Recht auf Geschäfte mit dem Krieg, sofern sie ohne Urkundenfälschung auskommen, steht außer Frage.
A.
Du hast die Strafanträge gelesen?
B.
Die Delikte, nämlich fortgesetzte Urkundenfälschung und Waffenschmuggel im Betrag von 90 Millionen, sind erwiesen. Der Bundesanwalt verlangt Gefängnisstrafen – bedingt erlassen – dazu Geldstrafen, die für keinen der betroffenen Herren ins Gewicht fallen. Das ist der Strafantrag, der einige Leute im Land entrüstet.
A.
Dich nicht?
B.
Gesetz ist Gesetz, wir sind ein Rechtsstaat, ich würde sogar sagen, ein Muster von Rechtsstaat: auch der mächtige Mann, Herr Dr. Dietrich Bührle, der ein deklariertes Einkommen von 3,4 Millionen und ein deklariertes Vermögen von 125 Millionen hat, kann hierzulande vor Gericht kommen.
A.
Wird er ins Gefängnis kommen?
B.
Herr Dr. Dietrich Bührle, Chef des Konzerns, ist Oberst im Generalstab der schweizerischen Armee.
A.
Was willst du damit sagen?
B.
Wie der Bundesanwalt betont, genießt der Bührle-Konzern das besondere Vertrauen unseres Bundesrates, weswegen dem Bundesrat diese fortgesetzten Urkundenfälschungen peinlich sind, obschon es sich, wie die Verteidiger betonen, lediglich um ein Kavaliersdelikt handelt, da das 90 Millionen-Geschäft keineswegs aus Gewinnsucht getätigt wurde,sondern aus Vorsorge für die schweizerische Landesverteidigung, für die schweizerische Wirtschaft usw. Wie Herr Dr. Dietrich Bührle selbst gesteht, kann er sich bei einem Umsatz von 1,7 Milliarden nicht um alles kümmern. Zwar hat er seinerzeit davon gewußt, sonst könnte er nicht, wie die Verteidigung hervorhebt, zu seinem langjährigen Mitarbeiter gesagt haben, »daß solche illegalen Geschäfte künftig nicht mehr getätigt werden dürfen«. Ich halte mich an den Satz: »Es besteht kein Anlaß, die Glaubwürdigkeit von Dr. Dietrich Bührle irgendwie in Frage zu stellen.« Ich habe lediglich sagen wollen: wenn es anders wäre, so könnte der Angeklagte nicht Oberst im Generalstab sein.
A.
Und sein Vize-Direktor?
B.
Ich kenne die Herren nicht, ich verlasse mich auf die Berichterstattung der bürgerlichen Presse. Herr Dr. Lebedinsky ist nicht Oberst. Wie die Verteidigung sagt, war der Gewissenskonflikt für den langjährigen Mitarbeiter ganz bedeutend, obschon es sich nur um 7% des Umsatzes mit Kriegsmaterial handelt. »Er hat im bestgemeinten Interesse seiner Arbeitgeberschaft die zur Beurteilung stehenden Taten begangen oder gebilligt.« Dafür bezieht er trotz Entlassung weiterhin sein Jahresgehalt. Auch Herrn Dr. Gelbert muß man verstehen: »Wie die andern leitenden Persönlichkeiten der WO stand er vor dem Dilemma, ob man die behördlichen Erlasse streng beachten soll oder ob man im Interesse der Wahrung bewährter geschäftlicher Beziehungen zu retten versuche, was zu retten war«, nämlich den Profit des Bührle-Konzerns.
A.
Wir sind ein Rechtsstaat –
B.
Ja.
A.
Es gibt ein Volksbegehren auf Verbot der Waffenausfuhr. Ich nehme an, du hast ebenfalls deine Unterschrift dazu gegeben. Wenn es zu einer Volksabstimmung kommt, sokannst du für ein Verbot des schweizerischen Waffenhandels stimmen. Das ist ein rechtsstaatliches Verfahren.
B.
Ohne Zweifel.
A.
Was ist also nicht in Ordnung?
B.
Der Mann, der heute mit seinen langjährigen Urkundenfälschern vor dem Bundesgericht in Lausanne sitzt, ist ein großer Arbeitgeber: der Bührle-Konzern, der ja nicht nur Waffen herstellt, beschäftigt 14 000 Arbeitnehmer. Der Bührle-Konzern, wie gesagt, macht ja nicht nur Zwillingsgeschütze und Munition dazu, man darf nicht übertreiben. Geschütze und Munition verkauft er nur, um unserem Land eine eigene Waffenindustrie zu erhalten, was der Bundesrat zu schätzen weiß. Wir nötigen die andern nicht zum Krieg; wir verkaufen ihnen die Waffen nur, weil sie die Waffen sonst anderswo kaufen. Sie könnten unsere Geschütze und unsere Munition, wenn sie bezahlt sind, auch verrosten lassen. Um zu zeigen, daß die Schweiz sich in die Kriege der andern nicht einmischt, beliefern wir Israel und Ägypten zugleich. Das war übrigens immer schon so. Im Zweiten Weltkrieg, der uns nahe ging, schossen sich in Tobruk die Deutschen
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