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Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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Waffen-Industrie kommt aber nicht in Frage; Verstaatlichung wäre das Ende jener Freiheit, die unsere Armee zu verteidigen hat. Plakate fordern Hilfe für Biafra. Der Bundesrat spendet eine Million Franken für Biafra. Kinder auf der Straße sammeln mit Büchsen für Biafra.

Handbuch für Mitglieder
(Korrespondenz)
    Dr. U. B., 53, Bern
    Die bildliche Darstellung der Lebensalter-Pyramide, wie man sie auf alten Blättern findet (»mit 10 Jahr ein Kind« usw., »mit 100 Jahr im Grab«), ist mit Vorsicht zu betrachten. Daß Sie sich nach solcher Darstellung gerade auf der Höhe des Lebensbefinden, verdanken Sie einem naiven Symmetrie-Bedürfnis des Zeichners.
     
    A.W., 55, Luzern
    Das Foto, das Sie beilegen, ist glaubhaft; daß Sie als Wellenreiter hinter einem Motorboot zu sehen sind, kann man nur als erfreulich bezeichnen … Es wird in unserem Handbuch nie behauptet, daß sportliche Ertüchtigung nicht empfehlenswert sei; je gesunder er ist, um so wohler fühlt sich der Gezeichnete.
     
    G. U., 76, Ascona
    Tod ist in jedem Lebensalter möglich, d.h. der Gezeichnete erkennt sich nicht unbedingt an einer Zunahme der Todesangst – in Altersheimen vermindert sie sich eher. (Spätes Stadium.)
     
    M. S., 43, Zürich
    Sie sind nicht der erste, den es beschäftigt, daß er schon 10 Jahre älter ist als Mozart bei seinem Tod – das hat nichts mit Senilität zu tun; Sie werden sehen: Senilität meldet sich an, wenn es Sie tröstet, daß ein Genie 10 Jahre älter ist als Sie.
     
    Professor O. P., 65, Basel
    Daß Sie jetzt, emeritiert, Zeit haben für Ihr Standard-Werk, sei für Sie (so schreiben Sie) auch ein Anlaß zur Freude. Es wurde in diesem Handbuch nie bestritten, daß man im Alter besonders dankbar wird für jeden Anlaß zur Freude.
     
    O. Sch., 63, Melbourne
    Unser Handbuch hat niemals unterstellt, daß Heimatliebe (Sie sind Ausland-Schweizer) ein Symptom der Senilität sei. Hier muß ein Mißverständnis vorliegen. Tatsächlich sind Patriotismuswie Chauvinismus auch bei jungen Menschen festzustellen; umgekehrt kennen wir Fälle, wo die natürliche Heimatliebe gerade im Alter schwindet … Sie leben seit 40 Jahren in Melbourne; Ihre ungebrochene Heimatliebe hat weniger mit der Altersfrage zu tun als mit dem Umstand, daß Sie in Melbourne leben.
     
    H. H., 37, Stuttgart
    Ihr Einwand als Pfarrer ist unwiderlegbar. (»Ich betreue selber ein Altersheim, ich leugne keineswegs die Verblödung, aber ich betreue diese Menschen mit der Gewißheit des Glaubens, daß sie am Tag der Auferstehung nicht als Verblödete vor unsern Schöpfer treten.«)
     
    Frau Dr. A. St. (–), Konstanz
    Es stimmt nicht, daß ich bei der erwähnten Stelle insbesondere an Sie und Ihren geschätzten Mann gedacht habe; nicht jeder Mann, der in Gesellschaft sich von seiner Frau entmündigen läßt, ist deswegen ein Gezeichneter. Das muß in Ihrem Fall andere Gründe haben. Soviel ich weiß, sind Sie, wenn auch etwas älter als er, einfach ein Temperament, und ich habe nie den Eindruck, daß Ihr geschätzter Mann sich entmündigt fühlt; vielleicht meint er, daß Sie uns dann auf die Nerven gehen, was aber nicht der Fall ist. Glauben Sie mir! Die erwähnte Stelle bezieht sich auf einen Industriellen aus Pittsburg (USA), dessen Frau sagt: Don't speak but think, honey! und dabei hat auch sie nicht unrecht. Noch einmal: Glauben Sie mir! Ich schätze Ihren stillen Mann sehr.
     
    A. G., 55, Herrliberg
    SENIL und SENILITÄT sind keineSchmähwörter, sondern Bezeichnungen; nur weil der Tatbestand, den sie bezeichnen, auch bei Ihnen noch unter Tabu steht, reagieren Sie wie auf Schmähwörter. Als solche werden sie auch in der Umgangssprache gebraucht aus dem genannten Grund.
     
    Prof. Ch. V., 47, Princeton, USA
    Ihre Hinweise sind äußerst wertvoll. Ohne Zweifel wäre ein wissenschaftliches Handbuch für unsere Mitglieder zu wünschen; einschlägige Publikationen, die ich kenne, stammen vor allem von Soziologen und sind für manche Mitglieder nicht unverständlich, nur habe ich festgestellt, daß kein Mitglied sich von soziologischen Darlegungen persönlich betroffen zeigt, eher wieder von medizinischen, wobei unsere Mitglieder allerdings nur den Schluß ziehen, daß sie sich schonen müssen.
     
    V. O., 68, Berlin/Wien
    Wie Senilität sich je nach Beruf manifestiert, wäre zu untersuchen. Ich habe Sie in letzter Zeit nicht auf der Bühne gesehen. Die all-abendliche Konfrontation mit dem Publikum, so sagen Sie, erhält jung; als Beweis

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