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Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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Freund und mich in einer Badanstalt; wir waren eben dabei, die Kleider abzulegen. Eine Viertelstunde danach gingen wir trotzdem schwimmen, nicht ahnungslos, nur hilflos. Golo Mann wollte uns heute das Valle Verzasca zeigen, und es hätte wenig gefehlt, daß wir ohne Wissen auf die Wanderung gegangen wären; ich beginne den Tag nicht am Radio, ein Bekannter hat angerufen. Was wissen wir in diesem Augenblick? Wie gesagt: Sowjetischer Einmarsch in die CSSR seit heute Nacht, ein paar Einzelheiten von der Methode des Überfalls, Besetzung des Flughafens usw., Dubček von den Sowjets verhaftet und verschleppt. Von unserenFreunden in Prag wissen wir nichts; ich komme nicht auf die Idee, sie anzurufen. Es wäre noch möglich gewesen.
    Unsere Wanderung, lange schon geplant, scheint das einzige zu sein, was wir unternehmen können an diesem Tag, Wanderung mit dem kleinen Transistor unter dem Arm. Der Historiker vom Fach versagt sich Spekulationen; er berichtet, daß er kürzlich in der CSSR gewesen ist wegen Dokumenten zu Wallenstein. Ich sehe das Valle Verzasca: Felsen, Bach, Flora, Schmetterlinge, lauter unvergeßliche Nebensachen. Der kleine Transistor erübrigt sich; er krächzt nur.
    PS.
    Beim Wiederlesen der Kafka-Tagebücher: »2. August (1914). Deutschland erklärt Rußland den Krieg. – Nachmittag Schwimmschule.«

Fragebogen
     
    1.
    Wissen Sie in der Regel, was Sie hoffen?
     
    2.
    Wie oft muß eine bestimmte Hoffnung (z. B. eine politische) sich nicht erfüllen, damit Sie die betroffene Hoffnung aufgeben, und gelingt Ihnen dies, ohne sich sofort eine andere Hoffnung zu machen?
     
    3.
    Beneiden Sie manchmal Tiere, die ohne Hoffnung auszukommen scheinen, z. B. Fische in einem Aquarium?
     
    4.
    Wenn eine private Hoffnung sich endlich erfüllt hat: wie lange finden Sie in der Regel, es sei eine richtige Hoffnung gewesen,d.h. daß deren Erfüllung so viel bedeutete, wie Sie jahrzehntelang gemeint haben?
     
    5.
    Welche Hoffnung haben Sie aufgegeben?
     
    6.
    Wieviele Stunden im Tag oder wieviele Tage im Jahr genügt Ihnen die herabgesetzte Hoffnung: daß es wieder Frühling wird, daß die Kopfschmerzen verschwinden, daß etwas nie an den Tag kommt, daß Gäste aufbrechen usw.?
     
    7.
    Kann Haß eine Hoffnung erzeugen?
     
    8.
    Hoffen sie angesichts der Weltlage:
a.
auf die Vernunft?
b.
auf ein Wunder?
c.
daß es weitergeht wie bisher?
     
    9.
    Können Sie ohne Hoffnung denken?
     
    10.
    Können Sie einen Menschen lieben, der früher oder später, weil er Sie zu kennen meint, wenig Hoffnung auf Sie setzt?
     
    11.
    Was erfüllt Sie mit Hoffnung:
a.
die Natur?
b.
die Kunst?
c.
die Wissenschaft?
d.
die Geschichte der Menschheit?
     
    12.
    Genügen Ihnen die privaten Hoffnungen?
     
    13.
    Gesetzt den Fall, Sie unterscheiden zwischen Ihren eignen Hoffnungen und den Hoffnungen, die andere (Eltern, Lehrer, Kameraden, Liebespartner) auf Sie setzen: bedrückt es Sie mehr,wenn sich die ersteren oder wenn sich die letzteren nicht erfüllen?
     
    14.
    Was erhoffen Sie sich von Reisen?
     
    15.
    Wenn Sie jemand in einer unheilbaren Krankheit wissen: machen Sie ihm dann Hoffnungen, die Sie selber als Trug erkennen?
     
    16.
    Was erwarten Sie im umgekehrten Fall?
     
    17.
    Was bekräftigt Sie in Ihrer persönlichen Hoffnung:
a.
Zuspruch?
b.
die Einsicht, welchen Fehler Sie gemacht haben?
c.
Alkohol?
d.
Ehrungen?
e.
Glück im Spiel?
f.
ein Horoskop?
g.
daß sich jemand in Sie verliebt?
     
    18.
    Gesetzt den Fall, Sie leben in der Großen Hoffnung (»daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist«) und haben Freunde, die sich aber dieser Hoffnung nicht anschließen können: verringert sich dadurch Ihre Freundschaft oder Ihre große Hoffnung?
     
    19.
    Wie verhalten Sie sich im umgekehrten Fall, d.h. wenn Sie die große Hoffnung eines Freundes nicht teilen: fühlen Sie sich jedesmal, wenn er die Enttäuschung erlebt, klüger als der Enttäuschte?
     
    20.
    Muß eine Hoffnung, damit Sie in ihrem Sinn denken und handeln, nach Ihrem menschlichen Ermessen erfüllbar sein?
     
    21.
    Keine Revolution hat je die Hoffnung derer, die sie gemacht haben, vollkommen erfüllt; leiten Sie aus dieser Tatsache ab, daß die große Hoffnung lächerlich ist, daß Revolution sich erübrigt, daß nur der Hoffnungslose sich Enttäuschungen erspart usw., und was erhoffen Sie sich von solcher Ersparnis?
     
    22.
    Hoffen Sie auf ein Jenseits?
     
    23.
    Wonach richten Sie Ihre täglichen Handlungen, Entscheidungen, Pläne, Überlegungen usw., wenn nicht nach

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